Ruth Linhart | Japanologie | Biographieprojekt Imai Yasuko| Fotos


Biographieprojekt Imai Yasuko

Erinnerungen (1)

Die Kindheit (osanai toki)

Als erstes möchte ich darüber sprechen, dass ich es schon, als ich noch ganz klein war, sehr traurig gefunden habe, als Frau geboren zu sein. Das kam mir schon damals wirklich einsam, wirklich schmerzlich und ohne irgendetwas Erfreuliches vor. Diese Tatsache hängt eng damit zusammen, dass ich sehr früh berufstätig werden wollte.

Der wichtigste Grund dafür, dass ich so zu denken begann, liegt, glaube ich, in den Anschauungen meines Vaters. Obwohl man davon spricht, dass die Frauen stark geworden sind, sind verglichen mit anderen Ländern in Japan die Männer viel stärker als die Frauen. Vor dem Krieg war das aber einfach unvorstellbar. Frauen durften nicht einmal reden. Der Vater war wirklich der absolute Kaiser in der Familie. Niemand traute sich, ihm zu widersprechen oder sich ihm zu widersetzen. Auch meine Mutter sagte nicht, was sie dachte.

Die Lieblingssätze meines Vaters waren zum Beispiel: " Eine Frau wird von ihrem Mann erhalten, darum muss sie ihm dankbar sein", oder "Für eine Frau gibt es nichts anderes als `Ja´ sagen". "`Das mag ich nicht´ gibt es nicht." "Eine Frau muss immer sanft und gefügig sein." Eine Frau darf natürlich keine eigenständige Entwicklung nehmen, weil es das Lebensziel jeder Frau zu sein hat, zu heiraten und sich gewissenhaft um Mann und Familie zu kümmern. Und eine Frau darf niemals grob sein. Mit einem Wort, absoluter Gehorsam und absoluter Fleiß sind für Frauen unerlässliche Eigenschaften. Mein Vater hielt sie für wichtige Vorausetzungen, um zu heiraten, und in diesem Sinn wurde ich erzogen.

Was hat er dabei gedacht? Was hat sich mein Vater dabei vorgestellt? Das hat du mich vorigen Herbst gefragt. Ich glaube nicht, dass er sich dabei etwas besonderes gedacht hat. In der traditionellen japanischen Gesellschaft war es nun einmal so: Frauen existierten, um zu heiraten und um Kinder zu kriegen. Mein Vater glaubte daran. Und daher hielt er es für seine Pflicht, mich so zu erziehen, dass ich die Möglichkeit dazu haben würde, dass ich die Voraussetzungen dafür erhielt. Normalerweise ist es so, dass die Kindererziehung der Mutter anvertraut ist. Seit dem Beginn der modernen Zeit ist das in der japanischen Gesellschaft üblich. In der Edo-Zeit war das anders. In der Edo-Zeit hat der Mann auch dafür die Verantwortung gehabt. Ich glaube, dass mein Vater es sozusagen für seine Pflicht als Haushaltsvorstand hielt, mich in seinem Sinn zu erziehen, weil er dachte, dass ich mir nicht alle Möglichkeiten des Lebens einer Frau vorstellen kann, wenn ich nur beobachte, was meine Mutter tut. Und das sah er wiederum als seine eigene Pflicht gegenüber seinen Ahnen an. Denn er glaubte, dass es eine der Pflichten der Eltern ist, die Kinder gemäß deren Regeln zu erziehen bzw. sie so aufzuziehen, das sie sich an die gesellschaftlichen Regeln halten. Dafür habe ich sogar ein gewisses Verständnis.

Ich glaube, dass diese Einstellung mit der Familie, mit der Herkunft meines Vaters zusammenhängt. Nach der Universität hat mein Vater ein Leben als normaler Bürger geführt, aber ... Mein Vater stammt aus einem Ort namens Kitatachibanamura in der Präfektur Gumma. Die Familie meines Vaters gehört zur Grundbesitzerschicht des Dorfes, und es handelt sich dabei um ein sehr altes Haus. Der Überlieferung zufolge gehen die Wurzeln bis in die Kamakura-Zeit zurück. Da gibt es einen Imai Kanehira, der im Heike-monogatari vorkommt. In der Familie wird das so überliefert: Dieser Imai Kanehira hielt sich zusammen mit seiner Familie in der Gegend von Otsu auf. Er und sein Clan wurden von Yoritomo beschützt, sie flüchteten von dort und gelangten schließlich nach Shimohakoda in die heutige Präfektur Gumma. Daher gibt es den Namen Imai dort schon vor der Edo-Zeit. Die Familie der Imai gehörte zwar zur bäuerlichen Schicht. Es gab Bauern, die Familiennamen tragen durften, wenn es ihr Haus schon sehr lange gab. Die Familie meines Vaters war eine solche Familie und darauf sehr stolz, und die Familienmitglieder hielten sich steng an die Bräuche der Edo-Zeit. So ein Haus, so eine Familie war das.

Ich bin im Heimathaus meines Vaters gewesen: Ein sehr großes Haus, im Garten des riesigen Herrensitzes fließt ein Bach, Mühlräder klappern rundherum, wirklich ein sehr großes Anwesen. Die Familie Imai gehörte zur Klasse der Grundbesitzer, welche die ganze Gegend beherrschten. Das heißt, die Macht zu herrschen hatte sie wahrscheinlich nicht, aber sie gehörte sicher zu einer Schicht, die in der Gegend großen Einfluss ausübte. In der Nähe wohnte auch die Familie der Frau des jetzigen Tennô, Shoda Michiko. Es war vielleicht eine Tante von Michiko-san, die in unsere Familie einheiratete. Mein Vater war der vierte Sohn, und die Frau des sechsten Sohnes kam aus der Familie Shoda. Das war ein berühmte alte Familie.

Da gibt es noch etwas zu erzählen. Die Familie meines Vaters eröffnete für die Kinder der Umgebung eine terakoya - eine Tempelschule. Die Tempelschulen wurden fast alle unentgeltlich geführt. Man mußte dort auch Schriftzeichen und Soroban (Rechnen) unterrichten, aber die wichtigste Aufgabe der Tempelschulen war es, den Kindern den Konfuzianismus, das heißt die grundlegenden ethischen Regeln möglichst leicht verständlich beizubringen. Den Frauen wurden daher logischerweise die Grundsätze von "Onna daigaku"(Die hohen Schule der Frauen) und ähnlichen Schriften beigebracht. Es dürfte der Vater meines Vaters, mein Großvater, gewesen sein, also am Anfang der Meijizeit, dass die Familie meines Vaters diese Tempelschule errichtete. Es sind noch genug Dokumente erhalten, dass man sehen kann, was damals unterrichtet wurde.

Das ist überhaupt das Problem der terakoya: Die Dorfvorsteher hatten ursprünglich, in der Edo-Zeit, auch die Aufgabe, die Befehle der Shôgunatsregierung und des Daimyats an das Volk weiterzugeben. Die Meinung herrschte, dass das, was die Oberen sagten, unbedingt einzuhalten wäre. Das heißt aber letzendlich: Selbst nicht über eine Sache nachzudenken, sondern das, was einem gesagt wird, einfach beizubehalten. Das war in der Familie meines Vaters bequeme Sitte, und mein Vater hielt sich auch daran. Daher machte sich mein Vater keine eigenen Gedanken über die Erziehung seiner Kinder, sondern es war wahrscheinlich so, dass er sich bemühte, seine Töchter so zu erziehen, wie es bisher üblich war. Wenn ich etwas machte, was den Worten des Vaters nicht entsprach, musste ich mit ihm vor den kamidana (Hausschrein). In Honshû (auf der Hauptinsel) gab es in den traditionellen Familien "gozenju-sama no go-ihai" - Ahnentäfelchen mit den posthumen buddhistischen Namen. Weil mein Vater als normaler Angehöriger der neuen bürgerlichen Schicht nach Hokkaidô übersiedelt war, gab es bei uns keine go-ihai, sondern statt dessen einen kamidana, wie es zu der Zeit üblich war.

Und vor diesem Hausschrein befahl er mir: "Komm da her und setze dich!" Wenn ich dort kniete, begann die Strafpredigt. "Entschuldige dich bei den Ahnen für das, was du getan hast ...", ging es los, und es folgte noch alles Mögliche. Ich bemühte mich, nicht in meine Ohren hineinzulassen, was er sagte. Während ich: "Ja. Ja. Ja, Ja...," murmelte, bemühte ich mich gleichzeitig, nichts zu hören und wiederholte innerlich: "Ich höre nicht zu, ich höre nicht zu, ich höre nicht zu, ich höre nicht zu...." Ich kann mich heute noch deutlich erinnern, dass ich wie wahnsinnig gegen die Worte des Vaters kämpfte. Natürlich spreche ich dabei von einem Widerstand, der nur in meinem Herzen war. Wenn ich den Mund aufgemacht hätte, wenn ich etwas gesagt hätte, wenn ich nur das Wort "aber ...." gesagt hätte ... "Ein Mädchen, das `Aber´ sagt , was soll denn das sein!", und eine neue Strafpredigt wäre gefolgt. Doch das wollte ich, wenn irgendwie möglich, vermeiden, dieses Gefühl hatte ich.

Trotzdem wußte mein Vater, dass ich nicht die geringste Absicht hatte, ihm zu gehorchen. Gerade weil er das wußte, wurde er von seinem Pflichtgefühl umso mehr angetrieben, mich zu einem "weiblichen" - onnarashii - Verhalten zu erziehen. Bei solchen Anlässen sagte mein Vater immer wieder: "Wenn Yasuko so weiter tut, wird sie in der Gosse enden. Sie wird niemand zum Heiraten finden. Und wenn sie heiratet, wird man sie hinauswerfen! Sie wird wirklich in der Gosse enden!" Weil "in der Gosse enden" keine allgemein verwendete Floskel ist, blieb es in meinen Ohren haften, und auch die übrigen Geschwister merkten es sich. Meine ältere Schwester fand das komisch: "Haha, Yasuko wird in der Gosse enden! Yasuko wird in der Gosse enden!" spottete sie heimlich. Meine jüngere Schwester machte sich selten lustig über mich, aber auch sie fand, dass ich "merkwürdig" sei. Mein jüngerer Bruder hingegen gehörte offensichtlich zu denen, die ihren Spaß daran hatten: "Yasuko-neechan wird wirklich in der Gosse enden!" plapperte er nach. Mein Vater verlangte, dass ich meinen eigenen Willen wegwerfe und so lebe, wie es sich für eine japanische Frau gehört. In den Grenzen dessen, dass ich dieser Forderung nicht folgte, bin ich vielleicht wirklich eine "gefallene Frau", aber ich hätte so nicht leben können.

Sowohl mein Vater wie auch meine Mutter erlaubten weder mir noch meiner älteren Schwester mit den Nachbarskindern zu spielen. Die Kinder spielten damals normalerweise draußen mit den Nachbarskindern, aber uns war es verboten, außerhalb des Hauses mit den anderen Kindern zu spielen. "Das macht ein schlechtes Bild, das machen nur arme Kinder, das gehört sich nicht, das ist ungezogen ..." Daher bleibt ein braves Kind ruhig im Haus. Was heißt "ruhig"? - Ein Buch lesen vielleicht. Sich bewegen und herumgehen, das geht nicht. In den ersten Stock steigen, wenigstens die hölzerne Stiege hinaufsteigen, das war zu gefährlich, als wir klein waren. Nicht einmal das wurde erlaubt! Also, wir bekamen nicht sehr viele Bücher. Die Bücher, die wir ab und zu bekamen, las ich immer wieder, immer wieder, als ob ich sie auswendig hersagen wollte. Und dabei eröffneten sich hinter den Worten verschiedenartige Phantasiewelten. Ich glaube, das war in meiner Kindheit meine einzige Freude.

Aber mein Vater hat es nicht gerne gesehen, wenn ich las, und das war nicht nur bei mir so, sondern auch bei meiner älteren Schwester, glaube ich. Er hat es nicht begrüßt, dass Mädchen Bücher lesen, die Mädchen könnten ja frech werden. "Das ist Zeitverschwendung! Wenn ihr für soviel Zeit habt, helft zuerst einmal bei der Haushaltsarbeit mit!" Auch dafür hatte er Lieblingssätze, die er zu mir sagte, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, eher zu mir als zur älteren Schwester, besonders zu mir. Das Tragen der glühenden Kohlen, wie man putzt, dann bei der Wäsche, das Auswinden und Aufhängen des Putzfetzens ... Das hat er mir beigebracht. Weil er mich dazu "abgerichtet" hat, konnte ich es. Aber natürlich war das nichts, was mir Freude machte.

Das ganze Leben machte mir keine Freude. Mein Vater sagte: "Heirat ist das Glück der Frau!" Dass eine Frau von einem Mann erhalten wurde und heiratete, warum soll so ein Leben das Glück bedeuten? Das passte überhaupt nicht zu dem, was ich mir darüber dachte. Daher habe ich mir, als ich klein war, mit zirka vier oder fünf Jahren, gedacht: "Am besten bringe ich mich um." Ich hatte wirklich die Absicht, mich umzubringen. Wenn ich dann einmal erwachsen und verheiratet wäre, dann würde ich nach den Worten meines Vaters - dass es auf der Welt außer der Denkweise meines Vaters auch noch etwas anderes gab, wußte ich damals nicht - dann würde ich, wie mein Vater sagte, hinausgeworfen und "auf dem Weg zusammenbrechen". Das Heiraten war eine Geschichte, die mich ins Unglück stürzen würde. "Da ist es besser, wenn ich vorher sterbe!" überlegte ich.

Wie verhielt sich meine Mutter gegenüber diesem Vater? In der traditionellen japanischen Ehe gibt es keine besondere geistige Beziehung zwischen den Ehepartnern. Das hielt man nicht für nötig. Noch einmal, ich bitte dich zu lesen, was in "Onna daigaku" geschrieben steht. Alles, was dort geschrieben steht, ist Grundlage der traditionellen Beziehung zwischen Männern und Frauen und kommt in dieser zum Ausdruck. Die feministische Wissenschaftlerin Ueno Chizuko behauptet, dass das, was in "Onna daigaku" geschrieben steht, nur für die Samurai-Schicht charakteristisch ist. Auch andere Frauen wiederholen diese Behauptung. Aber - es stimmt nicht. Wie ich vorher gesagt habe, hat die Lebensphilosophie des Militär-Adels (Samurai) über den Unterricht in der terakoya auch die Bürgerschicht und die Bauernschicht in ganz Japan völlig durchdrungen. Bitte glaube mir, dass das so ist. Die Gesellschaftsschicht, deren Frauen nicht heiraten konnte, war noch viel ärmer. Das waren die Leute, die ihre Töchter in die Prostitution verkauften.

Aber jedenfalls gilt das, was in "Onna daigaku" über die Beziehung zwischen den Ehepartnern steht, ebenso wie für die Samurai auch für die Bürger und für die Bauern. . Auch meine Mutter wurde nach dieser Lebensphilosophie erzogen. Die Familie meiner Mutter gehörte nicht zur bäuerlichen Schicht. Sie gehörte zur Schicht der Samurai, dem Militäradel. Sie stammte aus der Familie eines karô" (Minister) des Satsuma-Daimyats. Dieser Mann hieß Zusho Shôzaemon. Ursprünglich war er nicht karô. Er war Page im Haus eines Damyô. Weil er intelligent war und das Vertrauen des Daimyô gewann, beförderte ihn dieser zum karô. Er wurde mit der Sanierung der Finanzen beauftragt.

Wenn man die Geschichte des Satsuma-Klans dieser Zeit liest, findet man sehr genaue Angaben über Zusho Shôzaemon. Eine Überlieferung ist, dass er hier und dort von reichen Leuten aus der Bürgerschicht Geld ausborgte. Er bezahlte aber die Darlehen nicht mehr zurück, sondern rief alle zusammen, die ihm Geld geliehen hatten, verbrannte im hibachi (Holzkohlebecken) vor ihren Augen die Schuldscheine und sagte, sie könnten jetzt mit ihm machen, was sie wollten. Die Bürger, die ihm Geld geliehen hatten, konnten aber nichts machen, weil er ja die Schuldscheine verbrannt hatte. So resignierten sie und gingen heim. Er kam also als erstes einmal auf diese Weise zu Geld.

Als nächstes begann er auf der Basis dieses Geldes mit Übersee zu handeln. Überseehandel war unter dem Shogunat etwas, das streng verboten war. Aber in der Nachbarschaft von Satsuma liegen die Ryûkyû-Inseln. Er handelte mit Ryûkyû und häufte auf diese Weise eine Menge Geld an. Bald sickerte das bis zur Shogunatsregierung durch. Daraufhin gab Zusho Shûzaemon vor, aus eigenem Antrieb gehandelt zu haben und übernahm dafür die Verantwortung. Ob er daraufhin Selbstmord beging oder zum Selbstmord verurteilt wurde, weiß ich nicht genau, jedenfalls starb er. Da der Hauptschuldige die Haltung eingenommen hatte, dass er als karô ganz eigenständig ohne Beziehung zum Lehensfürsten gehandelt hatte, brauchte der Daimyô von Satsuma vom Shogunat keine Folgen zu befürchten. Der Daimyô von Satsuma hatte aber durch diesen Außenhandel Unmengen von Geld zusammenbekommen und konnte so Kanonen bauen, Kriegsmaterial von England kaufen und englische Schulen einrichten und baute auf diese Weise seine Macht rasch aus. Auf dieser Grundlage verbündete er sich bald mit dem Chôshû-Daimyat, unterstützte die Machtergreifung des Tennô und den Sturz des Shôgunats und die Geschichte nahm den bekannten Verlauf.

Zusho Shôzaemon mußte zwar sterben, aber für den Daimyô von Satsuma war er ein großer Wohltäter gewesen. Daher wurde sein Sohn oder sein Enkel, das weiß ich jetzt nicht genau, dafür belohnt. Bald gab es ja von Satsuma aus wie auch von Chôshû aus Krieg, alle rückten gegen Edo vor, besetzten das Schloss von Edo und errichteten die Meiji-Regierung. Im Laufe dieser Ereignisse verliehen die Leute vom Satsuma-Daimyat dem Sohn oder Enkel des Zusho ein angesehenes Amt: Zusho Hirotake wurde Minister - heute würde man sagen Gouverneur - von Hokkaido. Der zweite oder vielleicht vielleicht sogar der erste. Bald wurde er auch als Baron in den Adelsstand erhoben. Dieser Zusho Hirotake ist der Großvater meiner Mutter. Ob er in Tokyo oder in Hokkaidô war, er machte eigenständige Politik. Die Idee zur "europäischen" Stadt Sapporo, die stammt auch von Hirotake. Die Familie aus der Linie Zusho war also sehr erfolgreich.

Meine Mutter wurde als Enkelin dieses Hirotake geboren. Aber sie wuchs im Haus ihrer Tante als Adoptivkind auf, weil diese kein Kind hatte, in der Familie einer Tante aus der Linie der Zusho. Von dort heiratete sie dann in die Familie Imai. Diese Tante stammte wie gesagt von der Familie der Zusho und hatte auch deren Einstellungen, nämlich die Denkweise des Satsuma-Daimyats, übernommen. Diese Meinungen gelangten von meiner Großmutter über meine Mutter bis zu mir. In Satsuma war man in bezug auf das Verhältnis von Frauen und Männern besonders "altjapanisch". Ganz Kyûshû ist sehr traditionalistisch, aber wo in diesem Umfeld der Status der Frauen besonders niedrig war, das war Satsuma. Dafür war es berühmt.

Die Generation der Großmutter meiner Mutter übersiedelte nach Tokyô. Und bekam auch die Erziehung in Tôkyô. Meine Urgroßmutter besuchte die jogakko, die damals moderne Mädchenschule. Auch meine Mutter besuchte die Mädchenschule. Sie bekam also die beste Erziehung, die damals möglich war. Aber trotzdem ... Die jogakko, die meine Mutter absolvierte, war in Kochimachi, und wurde Shirayuri (Weiße Lilie) genannt. Es handelte sich dabei um ein von Franzosen geführtes Französisch-englisch-japanisches Lyceum. Eine Missionsschule. Sie lernte französisch. Zu Hause bekam sie Klavier-Unterricht. Sie malte, lernte , wie damals üblich, shôdô (japanische Kalligraphie) und lernte Koto. Sie erhielt also eine Erziehung für "höhere Töchter". Besonders Klavier lernten nur Angehörige der Oberschichte an der Spitze der Gesellschaft. In dieser Beziehung war sie also ein sehr privilegiertes Mädchen. In Japan dieser Zeit war das die Erziehung zur Lebensweise einer Frau aus der Oberschicht.

Dass aber trotz allem äußerlichen Glanz meine Mutter innerlich in dem Geist erzogen wurde, dass ihre zukünftige Lebensweise als Frau sich davon unterscheiden würde, das ist ein anderes Problem. Meine Mutter hat zum Beispiel Keks backen, im Backofen, oder westliches Essen kochen oder stricken, nähen, solche weiblichen Techniken gelernt, die in der neuen Mädchenschule den Schülerinnen beigebracht wurden, das hat sie ausreichend gelernt, auch französisch - alles das gab es eindeutig. Das war so, aber darüber hinaus machte sie nichts. Wie ich dir schon einmal erzählt habe, fuhr der Vater meiner Mutter nach Europa. Dass dieser Großvater zum Beispiel meinen Vater belehrt hätte: "So zu denken ist nicht richtig", oder dass er meine Mutter zum Baseball oder in westliche Theaterstücke (shingeki) mitgenommen hätte, das kam ihm nicht in den Sinn. Es wurde für alles Mögliche gesorgt, um ihren Horizont zu erweitern, aber dass es darüber hinaus für das Leben einer Frau noch andere Denkmöglichkeiten gibt, davon erfuhr sie nichts.

Meine Großmutter, die Mutter meiner Mutter, ging mit Miura Tamaki in die Schule. Miura Tamaki ist eine berühmte Sopranistin, die weltweit tätig war. Sie hat die "Madame Butterfly" gesungen und war die erste Frau, die außerhalb Japans wirkte, als Musikerin und als Frau. Über diese Miura Tamaki hat sich meine Mutter mit der Großmutter zusammen nicht direkt lustig gemacht, aber kritische Worte gefunden. Offensichtlich hat sich meine Mutter im Gespräch an die Denkweise ihrer Eltern angepaßt und sich nach ihrer Meinung gerichtet, sie hat den Partner geheiratet, den die Eltern für sie ausgesucht haben, und hat so auch ihre Kinder erzogen. Darüber hinaus dachte sie anscheinend nicht nach und verlangte dasselbe schließlich auch von ihren Töchtern.

Was die traditionelle Lebensführung der japanischen Frauen am meisten von jener der westlichen Frauen unterscheidet, ist vielleicht, dass man überhaupt nicht verstehen kann, dass eine Frau eine andere Meinung als ihr Mann haben kann bzw. dass sie eine eigene Persönlichkeit ist. Das ist nicht wünschenswert und völlig unverständlich. Das auch gar nicht anzustreben, wird sogar eher als Vorteil betrachtet. So war es bei meiner Großmutter und bei meiner Mutter, und das sollte auch für uns gelten. Wenn ich als Erwachsene zurückblicke, so regte meine Mutter an mir am meisten auf, dass ich meinen eigenen Willen durchsetzen wollte. Ich glaube, das war der Punkt. Meine Mutter dachte offensichtlich, sie müßte diesen Charakterzug von mir von Grund auf korrigieren.

"Datte" (aber) - mit diesem Wort ließ ich sie nicht in Ruhe. Was meine Mutter erklären konnte, erklärte sie. Aber wenn ich nicht aufhörte nachzubohren, dürfte es ihr doch lästig geworden sein. Und sie züchtigte mich auf eine gewisse Art und Weise. Wenn ich zu wenig folgte, war das erste, was sie mit mir gemacht hat: Sie steckte mich in den o-shire (Wandschrank). Im o-shire ist allerhand drin und es ist dunkel. Das ist für ein Kind ziemlich zum Fürchten. Ich fürchtete mich, aber bald merkte ich, dass es einfach aus einem o-shire herauszukommen, man braucht nur die Türe aufzuschieben. Ich tat das und war draußen - mit dem Gefühl "Ätsch!" Meine Mutter merkte daran, dass ich zu weinen aufhörte, bald, dass ich nicht mehr im o-shire war. "Der o-shire ist ungeeignet, ", denkt sie. Was ihr als nächstes einfiel, war die Toilette, das Klo. Sie steckte mich dort hinein und sperrte zu. Aber wenn ich da drin bin, kann sonst niemand aufs Klo gehen. Daher kann man das Klo nicht für längere Zeit zur Bestrafung verwenden. Das mit der Toilette gab meine Mutter also auch wieder auf. Was ihr als nächstes einfiel und was ihr schießlich als beste Lösung erschien, war, mich ins o-furo, ins Bad einzusperren. Sie befestigte einen Nagel am Türrahmen und sperrte mich im Bad ein. Mein Gott, ich weinte, was ich nur weinen konnte. "Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, ich mache das nicht mehr, ich mache das nicht mehr, ich mache das nicht mehr!" schluchzte ich. Ich weiß heute nicht mehr, was ich nicht mehr machen wollte.

Ich habe ich nicht absichtlich widersetzt. Weder meinem Vater noch meiner Mutter habe ich widersprochen, um zu widersprechen. Wenn sie mich dazu gebracht hätten, eine Sache einzusehen, wäre alles gut gewesen. Das hätte ich mir gewünscht. Aber etwas einsehen, selbst etwas denken, zulassen, dass das , was gesagt wird, nicht anerkannt wird ... Die japanische Art und Weise der Kindererziehung lehrt, das zu befolgen, was die Erwachsenen sagen. Diesbezüglich hat sich bis zum jetzigen Schulunterricht nichts verändert. Ein Kind wie ich wurde also in Japan wirklich als Sorgenkind betrachtet, man konnte das nicht hinnehmen. "Widerspruchsgeist" oder "Schlimmes Kind" nannte mich meine Mutter. Mein Vater hat mich so behandelt, wie ich vorher erzählt habe, und meine Mutter hat mich auf ihre Weise gezüchtigt. Für die Schwestern war ich eine merkwürdige Person.

Wie ich schon vorher gesagt habe, hatte mein Leben außer dem Lesen nichts Schönes an sich. Aber nicht nur ich, auch wenn ich an meine ältere Schwester denke oder meine jüngere Schwester oder meine Mutter, keine von den Frauen, die in meinem Elternhaus lebten, war besonders glücklich. Zufrieden waren vielleicht der Vater und auch der jüngere Bruder, diese beiden, denke ich.

Wie ich vorher gesagt habe, hält man es in Japan für eine Ehe nicht für besonders nötig, dass zwischen den Ehepartnern eine geistige Beziehung besteht. Die Männer verlangen das gar nicht. Es reicht, wenn der Mann von der Ehefrau bedient wird. Oder wenn er als Mann von der Mutter und den Schwestern bedient wird. Für den Mann ist es vielleicht das Glück, wenn die Frau ihn so zufriedenstellt. Aber wie ist das für die Frauen? Meine Mutter war auf keinen Fall eine "sanfte Frau". Sie war eher streng, ja, sie war sogar eine außerordentlich strenge Mutter. Nicht nur ich, auch meine ältere und meine jüngere Schwester sind meiner Mutter auf eine gewisse Art aus dem Weg gegangen, weil sie so streng war. Es kann auch sein, dass die Strenge meiner Mutter davon kam, dass ihr Leben zu dieser Zeit nicht erfüllt war und dass die Strenge der Ausgleich für ihr Unglück war. Und wahrscheinlich war sie auch deshalb so streng, um den Regeln, die sie von Kindheit auf gelernt hatte, zu entsprechen.

Meine Mutter starb mit 80 an Krebs, aber kurz vorher passierte folgendes: Ein Arbeitskollege von mir erzählte: "Meine Großmutter hat gesagt: `Unsere Kleider und die Kleider des Ehemannes wurden nicht auf der gleichen Trockenstange getrocknet.´ Die Kleidung ihres Mannes, meinesGroßvaters, wurde gesondert auf der höchsten Trockenstange getrocknet." Mich erstaunte das ziemlich. Ich kannte die Regel, dass man die Wäsche von Mann und Frau nicht gemeinsam trocknen darf aus "Onna daigaku", Regeln für die Frauenerziehung der Tokugawa-Zeit! Als ich meine Mutter besuchte und diese Geschichte wiedergab, meinte meine Mutter: "Ich hätte auch nie meine Sachen und die Wäsche vom Vater im selben Zuber waschen dürfen. Das hat mir meine Mutter ausdrücklich verboten! "Gibt es so etwas!" dachte ich, und auch mein jüngerer Bruder, dem ich das erzählte, staunte ziemlich. Das war der Inbegriff der traditionellen japanischen Ehefrau. Und obwohl meine Mutter doch eine so moderne und großartige Erziehung genossen hat, hielt sie eisern an diesem Vorbild fest. So war meine Familie.

Wenn jemand wie ich versuchte, sein eigenes Leben zu leben und dieses Ziel bewußt verfolgte, wurde das als Ausnahme akzeptiert, aber meine ältere und meine jüngere Schwester, die "professionelle Hausfrauen" (sengyô-shufu) wurden, die verwendeten ihr eigenes Leben völlig dafür und für die Erziehung ihrer Kinder, und das wurde als völlig selbstverständlich angesehen.

Der Entschluss als berufstätige Fau zu leben

Wie kam es zu diesem Entschluss? Der Entschluss als berufstätige Frau zu leben, war nicht das erste. Zuerst entschloss ich mich, nicht zu heiraten. Das war in der zweiten Klasse Volksschule im Frühling. Ich kann mich gut daran erinnern. Obwohl ich noch ein Kind war, kam mir dieser Entschluss außerordentlich bedeutsam vor. Seit ich ganz klein war, wurde mir immer wieder, immer wieder gesagt: "Eine Frau lebt, um zu heiraten!" Deshalb und weil damals ein Großteil der Japaner, fast alle, der Meinung waren, dass alle Frauen heiraten, war so ein Entschluss, der sich von dem unterschied, was die gewöhnlichen Menschen dachten, der denkbar größte Widerstand gegen die Welt. So kam mir das vor, als ich mich dazu entschloss.

Warum habe ich damals diesen Entschluss getroffen? Ich erinnere mich, dass ich dachte: "Wenn ich heirate, werde ich unglücklich und darum heirate ich nicht." Aber zuerst dachte ich gar nicht: "Ich heirate nicht", sondern: "Bevor ich heirate, bringe ich mich um." Und erst dann: "Ich bringe mich nicht um, sondern ich heirate einfach nicht. Ich werde nicht heiraten! Ich werde ledig bleiben!" Diese Idee hatte ich, weil ich ein Buch gelesen hatte.

Meine Mutter las gerne. Sie genierte sich, dafür allzu viel Geld auszugeben und Bücher zu kaufen, das machte sie nicht. Aber ab und zu, wenn sie lesen wollte, kaufte sie doch welche. Es gab damals eine "Anthologie der Weltliteratur", die im Shinchosha-Verlag erschien. Ziemlich viele Familien besaßen diese Shinchosha-Anthologie hatten, aber mein Vater gab das Geld nicht für so etwas aus. Daher verlangte meine Mutter das auch nicht. Aber sie kaufte eine Nummer einer Frauenzeitschrift, die Auszüge aus dieser Sammlung der Weltliteratur enthielt. Da gab es die Zusammenfassungen der diversen literarischen Werke mit jeweils der Übersetzung der inhaltlichen Höhepunkte. Ein ziemlich dickes Heft dieser Frauenzeitschrift. Welche Frauenzeitschrift das war, das habe ich schon vergessen. In diesem Heft gab es also die Vorstellung verschiedenster Werke der Weltliteratur. Auch aus der japanischen Literatur gab es die repräsentativen Werke. Zum Beispiel erinnere ich mich an "Jûsanya" und auch "Nigorie" von Higuchi Ichiyô. Verglichen mit diesen japanischen Geschichten, in denen nur traurige Frauen im Mittelpunkt standen, waren die Frauengestalten der Welt, die in den Zusammenfassungen dieser Sammlung der Weltliteratur übemittelt wurden, von einer Herrlichkeit (migotosa), die mich begeisterte.

Ganz besonders stark beeindruckte mich Tatjana in Puschkins "Onegin". Ziemlich viel später, als ich schon auf der Universität war, als ich noch einmal mit Puschkins "Onegin" in Berührung kam, las ich diese Stelle noch einmal. Jetzt verstand ich es erst richtig: Was ich suchte, war die Unabhängigkeit der Frau, der hohe Stolz, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, der Wille, sich von einem Mann nicht beherrschen lassen, den eigenen Stolz durchzusetzen, der unabhängige Geist einer Frau. Ich begriff jetzt, dass es das war. Was mein Herz erfüllte, war die Sehnsucht danach. Wenn du das Buch gelesen hast, weißt du es.

Dieser Onegin, von dem Tatjana in ihrer Jugend hingerissen war, war in Wirklichkeit ein total unbedeutender Mann. Sie heiratete bald einen Mann, den die Eltern bestimmten. Als sie später Onegin wieder trifft und er ihr einen Antrag macht, das heißt, er ihr seine Liebe gesteht, bemerkt sie das und sagt: "Wenn du mir das früher gesagt hättest, wäre ich vielleicht überglücklich gewesen. Jetzt bin ich aber schon die Ehefrau eines anderen. Und ich will mein jetziges Leben nicht für dich aufgeben." Dabei spricht Tatjana nicht vom Standpunkt der Ehefrau aus, sondern sie verteidigt ihren eigene Würde. Das ist in einer wunderbaren Sprache beschrieben.

Wenn man japanische Romane liest, gibt es keine einzige Frau, die nicht darauf hört, was die Männer sagen, es gibt keine einzige Frau, die ihren eigenen Willen durchsetzt. Auch die Ehe der Tatjana ist nicht glücklich, aber als Onegin in sie dringt, lehnt sie seine Aufforderung, mit ihm zu gehen, ab. Sie denkt selbst darüber nach, was ihr Leben ist, legt fest, wägt ab. Diese Stärke einer Frau, dass es auf der Welt so eine Frau gibt, das hat mich wirklich begeistert. Der Mut, den sie insgesamt zeigte! Als ich als Kind dieses literarische Werk las, wußte ich fast intuitiv ahnend: "So ein Leben möchte ich führen!"

Denk bitte nicht "Was kann die in der ersten Klasse Volksschule schon davon verstanden haben?" Bücher zu lesen und darüber Verschiedenes zu fantasieren, das war als Kind meine einzige geistige Erziehung und auch mein Vergnügen. Dieser "Onegin" war eines der ersten russischen Werke dieser Zeit, das eine unabhängige Frau beschrieb, und mein eigenes Gefühl als Kind, das mit dieser Beschreibung in Einklang stand, nehme ich auch heute noch ganz ernst..

Ein anderes Werk, das mich stark fasziniert hat , war ein französisches Buch. Es hieß "Karottenkopf" (Poil de carotte, Jules Renard). Das ist vielleicht ein Werk, das man kaum mehr liest. Es ist die Geschichte eines Knaben, dem seine Mutter dauernd Befehle erteilt: "Tu dieses, tu jenes", Befehle, denen er nicht folgen will und die ihm unerträglich sind. Weil er nicht so leben kann, wie er möchte, ist er traurig. Die größeren Brüder können den Befehlen dieser Mutter gut entkommen , aber weil "Karottenkopf" das nicht zusammenbringt, staut sich alles Mögliche in ihm auf. Er wird "Karotte" genannt, weil er ein Gesicht voller Sommersprossen hat. Dieser Junge namens "Karottenkopf" kann vor dem, was die Mutter sagt, nicht entfliehen. Er kann das nicht und das Leben kommt ihm sehr hart vor, und so denkt er manchmal: "Ich möchte mich umbringen!" Er denkt zwar: "Ich möchte mich umbringen", aber es fällt ihm keine geeignete Methode ein. "Ertrinken, das wäre gut!" denkt er. Er füllt das Waschbecken voll mit Wasser und taucht das Gesicht tief hinein, um sich umzubringen. Aber auf diese Weise kann man nicht sterben. Während er solche Versuche wiederholt, sagt eines Tages der Vater zu Karottenkopf: "Glaubst du, dass ich das, was diese Frau sagt, ernst nehme?" Da merkt Karottenkopf: "Ha, ich brauche gar nicht alle Anweisungen der Mutter zu befolgen."

Dass in meinem Augen die absolute Autorität der Mutter zu wanken begann, setzte mit dieser Geschichte ein. Sehr stark hat mich auch Folgendes an dieser Geschichte beeinflußt: In Japan wird das, was Eltern sagen, als absolut betrachtet. Und es gab nicht die geringste Idee in Japan, wie man vor der Absolutheit der Aussagen von Eltern fliehen könnte. Dass es irgendwo auf der Welt einen Ort gibt, wo die Worte der Eltern nicht als absolut betrachtet werden, dass es solche mutige Gedanken gibt und dass die noch dazu aus Ländern kamen, die, wie der Großvater, der in Europa war, sagte, Japan übertrafen, als ich das begriff, war es, wie wenn ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte.

Wenn man die Aussagen dieser zwei Bücher zusammenfasst, so hieß das letztenendes, dass ich das, was die Eltern in bezug auf die Frauen sagten, nicht als absolut richtig hinnehmen mußte. Auch war es nicht unbedingt so, dass die Frauen das, was die Männer ihnen anschaffen, absolut befolgen müßten. Fazit: Ich darf so leben, wie ich selbst leben möchte! Außerdem begann ich mir von da an zu überlegen. "Weil eine Frau von ihrem Mann erhalten wird, muss sie ihm immer dankbar sein." Das sagte mein Vater immer wieder. Wenn ich also aufhören würde, von einem Mann erhalten zu werden - in Japan hört eine Frau auf, von ihrem Mann erhalten zu werden, wenn sie nicht heiratet - wenn ich also von keinem Mann erhalten werde, muss ich auch keinem Mann dankbar sein. Dann kann ich für mich selbst das Wichtigste sein. Diese Schlußfolgerung tauchte in meinem Herzen auf. Aber wovon würde ich mich erhalten, wenn ich nicht erhalten werde? Von nun an beschäftigte ich mich mit solchen Überlegungen.

Nachdem ich mich einmal entschlossen hatte, nicht zu heiraten, begann ich ernsthaft darüber nachzudenken, welchen Beruf ich ergreifen sollte. In der Folge beschäftigte ich mich mit den Fragen: "Welchen Beruf möchte ich ausüben?" "Was möchte ich tun?" "Was ist meine Aufgabe?"

Der Text ist die Übersetzung des ersten Teils eines vierteiligen Tonband-Dokuments mit Erinnerungen, das Imai Yasuko im Sommer 2000 besprochen hat.


Ruth Linhart | Japanologie | Biographieprojekt Imai Yasuko| Fotos Email: ruth.linhart(a)chello.at