Ruth Linhart | Reisen | Texte | Fotos |
Schnee in JerusalemReisenotizen aus Israel 10. bis 20. März 2007 |
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10.3. 2007 Jerusalem, Österreichisches Hospiz zur Heiligen
Familie Ankunft in Tel Aviv. Palmen, Wärme, die Schwester. Ursula strahlt, ist braun gebrannt im Gesicht und fühlt sich, scheint es, wohl hier. Wir fahren mit einem Sherut, einer Art Sammeltaxi, nach Jerusalem zum Damaskustor. Orient wie man ihn sich vorstellt. Hans zieht den Koffer durch das Gedränge des Bazars. Beim Hintereingang ins Österreichische Hospiz zur Heiligen Familie. Das ist ein Riesengebäude, gegründet vor genau 150 Jahren als Pilgerherberge. Unser Zimmer ist sehr groß, mit Fliesenboden. Man sieht diesem die Ehrwürdigkeit an. Als erstes steigen wir hinauf auf die Dachterrasse. Die Altstadt von Jerusalem um und unter uns, rundherum Hügel. Abendstimmung mit rosa leuchtenden Wölkchen über den flachen oder runden Dächern, die Stimmen der Muezzins tönten von den zahlreichen Minaretten. Dann Kirchenglocken. Bei "Amico Emil", einem arabischen Lokal im christlichen Viertel der Altstadt, waren wir essen. Ich kann nicht mehr weiter schreiben, denn ich schlafe schon ein. 11.März 2007 Zweiter Tag in Jerusalem So viele Szenen haben wir heute gesehen, die berühren, die größten Heiligtümer der Juden, der Moslems, der Christen. Töne gehört aus allen drei Religionen. Und viele Bazare. Jetzt gehen wir ins Konzert. Leider habe ich mein Aufnahmegerät nicht mitgenommen. Die Muezzins, die christlichen Lieder im moslemischen Gewirr der Via Dolorosa, die jüdischen Lieder der Kinder auf dem Platz vor der Tempelmauer, die Gesänge vielerlei Art in der Grabeskirche. Schade, schade. Herrlich ist der Blick vom Hospiz in den verschiedenen Stimmungen des Tages, gestern die zart rosa-hellblaue Stimmung mit dem weiß leuchtenden wellenartigen Dächermeer, in dem sich die runden Kuppen der arabischen Dächer wölben, die Minarette und Kirchtürme herausragen und am östlichen Horizont alles bestimmend die goldene Kuppel des Felsendoms ruht. Heute Abend eine lila Stimmung voll Wind und Kühle und mit hellem Wüstensand vermischt. In der Früh gleißende Helligkeit eines warmen Märzmorgens. Die Frauen, mit den Gesichtern auf dem Stein ruhend, auf dem der Leichnam von Jesus gesalbt worden sein soll, die Frauen auf den weißen Plastikstühlen vor der 2000 Jahre alten Westmauer, ihre Oberkörper im Gebet wiegend, die Frauen in den langen moslemischen Mänteln, Tücher um den Kopf gewickelt, mit all den herzigen Kindern beim Felsendom. Wir durften nicht hinein, obwohl das gar keine Moschee ist. Tränen kamen mir, als die Kinder unter den weißen Baldachinen auf dem Platz vor der Klagemauer sangen, umgeben vom Kranz ihrer Eltern. Alles schaut so friedlich aus, drei Religionen verzahnt und sich tolerierend. Alles wirkt so richtig erfreulich, und ich fand die Kontrollen gar nicht so arg, vielleicht, weil ich von Ursula schon vorgewarnt worden bin. Am frappierendsten war die absolute Änderung des Klimas, der Atmosphäre, der Kleidung vor allem der Frauen beim Übergang von der Cardo genannten Gasse im jüdischen Viertel zur Weiterführung dieser Gasse, nun im moslemischen Stadtteil der Altstadt. Zurück vom Konzert. A. P. drosch in einer wunderbaren Veranstaltungsstätte der Mormonen in die Tasten. Ursula sagte, ihr sei das Gedicht von Morgenstern eingefallen: "Ein armes Tier ist das Klavier...". Die Pianistin machte ein Theater und patzte öfters. Man konnte von den Hügeln dort oben die goldene Kuppel des Felsendomes schillern sehen. Am Abend ist es kalt geworden, und wir waren froh, als uns ein Auto, das vielleicht kein Sherut und auch kein Taxi war, am Rückweg einsteigen ließ. Beim Hinauffahren zum Konzert - wir waren sieben, fünf davon Volontäre und Volontärinnen des ÖH (so sagen sie hier zum Österreichischen Hospiz) - machte der Fahrer einen Mordsumweg, verlangte aber nicht mehr als 3,70 NIS. Beim Zurückfahren langten wir in fünf Minuten wieder beim Damaskustor an. Das schaute heute, abendlich beleuchtet, wunderbar aus. Ganz anders als gestern bei der Ankunft, wo der Platz voll lärmender Leute, Autos und Autoabgasen war und das Tor in die engen Altstadtgassen verstellt mit Verkaufsbuden, Menschen und Karren. Der moslemische Teil der Altstadt hat einen dreckverkrusteten Boden, im christlichen und jüdischen Teil wirken die Steinplatten gewaschen. Im moslemischen Teil geht man am Tag wie durch ein riesiges Geschäft, rechts und links bis zur Überdachung der Gassen hinauf Waren buntester Art, viel Kleidung, Mäntel und Gewänder für Mosleminnen, Palästinensertücher, Schals und Kopftücher aller Art, aber auch lange und kurze Röcke, Blusen und Hemden. Viele Gewürze, Nüsse, getrocknete Früchte, Obst und Gemüse. Und Tücher, Bettüberwürfe oder Wandbehänge und Polsterüberzüge in verschiedenen Farben, rot, blau, violett, mit Goldborten und Glitzersteinen übersät. Viel Schmuck, Goldschmuck, Halbedelsteine. Und auch religiöse Artikel, Rosenkränze bei den Christen, Gebetsschnüre bei den Muslimen, Kerzenständer bei den Juden und vieles andere. Gegen Abend, zwischen fünf und sechs Uhr, wird geschlossen. Wenig später sind die Gassen ausgestorben, und wo am Tag eine bunte Pracht leuchtete, versperren Eisenbarrikaden jeden Blick. Ursula ist sehr lieb und immer gut aufgelegt. Sie hat uns schon einiges über die Volontäre und Volontärinnen erzählt, den Rektor des Hospizes, über Frau Dr. W., die "guest manager"in und Chefin der VolontärInnen. Es gibt an die zwanzig Volontäre und Volontärinnen im Haus, junge, mittelalterliche, ältere. sie verrichten gemeinsam mit palästinensischen Angestellten die nötigen Arbeiten. Fast alle sind gläubig. Viele der Jungen sind Zivildiener, die ein Jahr hier verbringen. Die Volontäre bleiben verschieden lang, aber mindestens fünf Wochen. Wir haben schon kennen gelernt Annemarie, zirka 45, Gerhild ebenso, Ernst, gerade in Pension gegangen, Pia und Ursula, beide um die 70, Teresia und Ernst, ein Ehepaar, er 76, Konrad aus Kärnten, auch Pensionist, glaube ich, und Leonardo und Lukas, beide Zivildiener sowie Tanja, eine junge Frau. Die Zimmer auf der anderen Seite des Ganges haben einen Superblick auf die Altstadt, bei uns ist der Ausblick bescheidener, aber ich habe beschlossen, keinen Wechsel zu beantragen, weil ich mich so schwer an neue Zimmer gewöhne. Heute kaufte ich schon um hundert Euro Andenken und Mitbringsel, unter anderem zwei Kreisel, die beim Chanukka-Fest eingesetzt werden. Sie heißen Trendel oder Dreidel, auf hebräisch Sewiwon. Je nachdem, auf welchen der vier hebräischen Buchstaben G, H, N oder P der Kreisel fällt, gewinnen oder verlieren die Kinder, die ihn drehen. Der Verkäufer in dem Geschäft bei der Westmauer versuchte mir zu erklären, dass je nachdem, auf welchen Buchstaben der Kreisel fällt, man sich an verschiedene Ereignisse der Vergangenheit erinnert, aber er konnte wegen mangelnder englischer Sprachkenntnisse nicht mehr ins Detail gehen. So lernen die Kinder vielleicht schon Geschichtsbewusstsein. Ich sehe immer die singenden orthodoxen Mönche in der Grabeskirche, die betenden Frauen und Männer an der Westmauer und den Mann beim Felsendom, der uns den Zutritt verwehrte, vor mir. Jetzt gute Nacht. 12.März 2007, Jerusalem Wir sitzen im Wiener Kaffeehaus des Hospizes, Musik dudelt, ein Ventilator rauscht laut. Wir waren in der St. Anna Basilika, beim Grab Marias, im Garten Gethsemane und in der Grotte, wo Jesus die Nacht vor dem Verrat durch Judas verbracht hat. Und am Ölberg. Jetzt ist es Abend, wir waren in Bethlehem. Gestern Abend hatte ich ein besseres Gefühl in Jerusalem als heute. Die Bedrohung rückte merkbar heran. Als wir nach dem Weg zum Ölberg fragten, sagte uns ein Mann, wir sollten den Garten Gethsemane besuchen, er warne uns davor, auf den Ölberg hinaufzusteigen. "Yesterday somebody was killed up and people are angry and throw with stones." Wir sollten nur bis zu dem Aussichtsplateau bei der Kirche Dominus Flevit (Der Herr weinte) gehen und dann wieder absteigen. Das taten wir. Wir fotografierten das vom Wüstensand wie mit einer leicht gelblichen Schicht überzogene Panorama der Altstadt und den Friedhof im Kidrontal, der sich mit tausenden Gräbern als helle Fläche zwischen Tempelberg und Ölberg hinzieht. Hier soll am Jüngsten Tag der Messias erscheinen und hier soll das Jüngste Gericht stattfinden, daher ist der Andrang auf diesen Friedhof groß. Auf der Höhe der Kirche Dominus Flevit war gerade ein Begräbnis oder eine Trauerfeier. Schwarz gekleidete Männer mit Hüten gingen durch die Grabreihen mit den flach liegenden weißen Grabsteinen und drängten sich dann an einer Stelle zusammen, wo sich wahrscheinlich das neue Grab befand. An den Hängen des Ölbergs wachsen schöne Olivenbäume, mit gelben Blumen und rot von Mohnblumen getupfte Frühlingswiesen darunter. Eine Idylle. Aber eine sehr brüchige. Auch auf Wiesen mit Ölbäumen und Hahnenfuß oder Löwenzahn werden Leute umgebracht. Zuvor in der St. Anna Basilika noch in der Altstadt in der Nähe des Löwentors hatte ich geweint, weil eine der vielen Gruppen mit schwarzen Menschen, die wir heute in der Via Dolorosa sahen, zu singen anfing. Die dunkelhäutigen Frauen und Männer, die vielleicht aus Nigeria stammten, hatte grün gesprenkelte Gewänder an. Auf die Stufen zum Altar hatten sich einige hingeworfen, die anderen saßen und standen auf und zwischen den Bänken der Kirche, sangen aus Leibeskräften, wiegten ihre Körper hin und her, warfen die Fäuste in die Luft. Zu ihnen gewandt tanzte auf den Stufen zum Altar eine Art Vorsänger herum und ein anderer filmte alles mit einer Videokamera. Eine sehr heftige und zu Herzen gehende Szene. Ich weiß gar nicht, warum ich so weinen musste, vielleicht, weil diese Menschen so inbrünstig zu glauben schienen. Vielleicht, weil ich mir dachte, dass sie für ihre Völker in Afrika beten, vielleicht . Das St. Anna Kloster mit der romanischen und frühgotischen Architektur hatte überhaupt eine sehr schöne Atmosphäre. Hier soll das Haus von Anna und Joachim, der Eltern Marias gestanden sein, und die Kirche ist der Geburt Marias geweiht. Wie viele heilige Stätten hatte auch sie ein sehr wechselvolles Schicksal, war eine Kreuzfahrerkirche und fast 700 Jahre Moschee. Neben der Annenkirche dehnt sich die Ausgrabungsstätte des Bethesda-Teiches, wo Jesus einen Gelähmten geheilt haben soll. Früher gab es Thermalbäder und noch heute scheinen die Leute zu dieser Kirche zu kommen, um sich heilen zu lassen. Eine schwarze Frau auf Knien umarmte einen vor ihr Stehenden, vielleicht hatte sie eine schwere Krankheit und erhoffte sich Heilung. Wenig später der Ölberg. Es gab zwar etliche Militärfahrzeuge oder Polizeiautos, aber sonst schien alles friedlich. In der Cafeteria im Hospiz wusste man aber, dass gestern jemand am Ölberg erschlagen worden sei und heute sein Begräbnis sei. Ein anderer wiederum hatte gehört, dass vorgestern ein Palästinenser am Ölberg erschossen worden sei, und dessen Begräbnis sei heute. Als wir nach einem Abstecher zum Grab Marias durch die Via Dolorosa zum Hospiz zurückgingen, zerrte Hans mich an einer Stelle weiter. Ich hatte die bunten Tücher der Geschäfte bewundert. "Siehst du denn nicht, dass die schussbereite Revolver in den Händen halten!" Ganz normale Burschen - keine Soldaten oder Sicherheitsbeamte oder Polizisten - mit "der Puffn in der Hand" bemerkte ich dann selbst auch. Das hat mich schon sehr unangenehm berührt. Und mir wurde das Gefühlsauf- und ab in dieser Stadt bewusst, zu Tränen gerührt, in Todesangst erschrocken, das ist hier tägliches Normalleben. Es war schon gegen zwölf Uhr mittags und die Muezzins tönten wieder. Wir kauften Ansichtskarten und kehrten in "unsere Burg" zurück, das Hospiz gleicht mit seinen Mauern und Stiegen einer Riesenfestung. Am Eingang steht, dass es verboten sei, Waffen in das Hospiz mitzubringen. Wir aßen und tranken etwas in der Cafeteria. Ursula kam, die heute zur Reinigung der "rooms" eingeteilt gewesen war, und erzählte, dass bei der Team-Besprechung der Rektor mitgeteilt habe, dass am nächsten Dienstag Landeshauptmann Pröll das Hospiz besuchen wird. Der Rektor selbst wird ihn durch die Altstadt führen, denn ansonsten würden es zu diplomatischen Verwicklungen kommen. Wenn man einen jüdischen Führer bitte, kränke man die Muslime und umgekehrt. Auch der Probst von Herzogenburg kommt demnächst. Ursula durfte am Nachmittag mit uns nach Bethlehem fahren und hat am 16. und 17. März frei. Nach ein Uhr trafen wir uns mit ihr in der Rezeption und gingen zum Damaskustor. Dort sollten wir mit dem Sherut Nr. 124 fahren, aber diese Busse standen nur herum, ohne sich den Anschein zu geben, losfahren zu wollen. Der Chauffeur von Nr. 21 hingegen drängte, das wir mit ihm kämen. Er fahre auch nach Bethlehem. Nach Zögern entschied sich Ursula für diesen. Wir steckten lange im Verkehr, ich schlief ein, dann ging es durch Vorstädte und freies Land, das aber von Siedlungen durchzogen ist, Richtung Bethlehem. Linker Hand sah man in der Ferne grau die neue Mauer, die die Palästinensergebiete von den israelischen trennen. Wir saßen im Sherut wie immer dicht gedrängt mit Palästinensern. Auch zwei Frauen mit grünbraunen Augen, aber in Mänteln bis zum Boden und mit bedecktem Kopf fuhren mit. Nach einer Fahrt, die viel länger dauerte, als Ursula von ihren Kolleginnen erfahren hatte, kam der Checkpoint, also die Grenze zwischen israelischem und palästinensischem Gebiet. Nach den Erzählungen sollten wir hier aussteigen, zu Fuß über die Grenze gehen und drüben in ein Taxi einsteigen, das uns nach Bethlehem bringt. Auf uns würde ein Taxi warten, dessen Lenker einer Kollegin von Ursula bekannt war. Aber es war ganz anders. Ein Soldat mit großem Gewehr stieg ein, forderte die Pässe und Ausweispapiere der Mitfahrenden, lächelte sogar, und die Leute im Bus und der Soldat scherzten fast, zumindest hatte es den Anschein, wir verstanden ja nichts. Wir zeigten auch unsere Pässe. "Austria?" "Nice to meet you", das war eher ironisch gesagt von einem Buspassagier. Dann fuhren wir wieder los, kein Aussteigen, nichts. Irgendwo drehte der Chauffeur das Auto um, fuhr kurzfristig in Richtung Jerusalem und bog nach "Bet Yella" ab. Uns wurde etwas mulmig zumute. Ich fragte den jungen Mann neben mir, ob wir jetzt in Bethlehem seien. Nein, aber in drei Minuten. Ich: "Wir wollen zur Geburtskirche". Er erklärte etwas von Taxi und zehn Minuten. Der Sherut blieb stehen, der junge Mann vertraute uns einer der Frauen mit den grünen Augen an. Die stieg aus und sagte, wir sollten mitkommen. Wir folgten ihr über eine breite Autostraße. Auf der anderen Seite bestiegen wir alle drei ein ziemlich herunter gekommenes Taxi. Wir sollten jeder drei Schekel zahlen, erklärte uns die Frau. Als sie vor uns ausstieg, wiederholte sie: "Jeder drei Schekel, nicht mehr!" Der Lenker brachte uns wirklich auf den Platz vor der Kirche der heiligen Geburt Christi und wir waren endlich angelangt, wenn auch auf ganz andere Weise als geplant. Wir waren ziemlich erleichtert, hier andere Touristen zu sehen, das Kreuz winkte von der Kirche, und nun war alles war so, wie es sein sollte. Jedenfalls waren die Palästinenser sehr freundlich zu uns gewesen! Nun ging es wieder ums Christentum. In der Geburtskirche drängten wir uns mit 150 anderen Leuten in die Grotte hinunter, in der ein Stern im Boden den Ort anzeigt, an dem das Christkind geboren ist. Mit uns befand sich eine italienische Gruppe in der Grotte und diese begann zu singen. Wir fotografierten den Stern und flüchteten nach oben. Vorher hatten wir noch als Mitbringsel für gläubige Bekannte und Verwandte weiße Kerzen mit dem Aufdruck "Bethlehem" gekauft. Immerhin ist hier eine zentrale Stätte des christlichen Glaubens und des Brauchtums, mit dem wir aufgewachsen sind. Diesen Ort, an dem Jesus geboren wurde, hatte in meiner Kindheit eine Krippe aus Pappfiguren symbolisiert. Über dem Dach des Stalles, unter dem die Krippe mit dem Kindlein zu sehen war, winkten Palmen wie hier, und wenn hinter dem durchscheinenden blauen Papier des Stallfensters eine Kerzenflamme brannte, fühlte ich die Gewissheit, dass dort das Morgenland war. Wie auch die Grabeskirche in Jerusalem, so hat auch die Örtlichkeit der Geburtskirche nicht das Geringste mit den Vorstellungen der Kindheit und den Darstellungen von Geburt und Tod Christi auf Bildern gemein, aber irgendwie fühlte ich mich doch bewegt davon, dass ich mich jetzt am Stein gewordenen Ziel dieser Phantasien aufhielt. Auch hier waren wie im Fall der Grabeskirche in Jerusalem mehrere Kirchen ineinander gebaut. Im "Dumont"-Kunstführer steht von einem griechisch orthodoxen und einem armenischen Kloster, die sich an die Geburtskirche herandrängen. Wir gelangten ohne aus der Geburtskirche zu treten in die Katharinenkirche, die zu einem Franziskanerkloster gehört. Auch hier gab es eine Grotte und Felsen, aber ich weiß nicht, was es mit ihnen auf sich hatte. Auf dem weiten Platz vor der Geburtskirche bedrängten uns Männer mit wertlosem Schmuck. Sie erzählten von zehn Kindern zu Hause und dass es unmöglich sei, sie zu ernähren, weil immer wieder die Grenzen geschlossen würden. Sie ließen nicht locker, bis wir nicht etliche unnotwendige Exemplare ihrer Schätze in unseren Taschen verstauten. Wir wanderten durch die engen Gassen von Bethlehem, tranken Minztee und fragten schließlich einen dunkelblau gekleideten Offiziellen am "Manger Square", wo es Taxis gebe. Er führte uns zu einem, gab uns wie die Frau vorher einen Ratschlag in Bezug auf den Preis: "Fünf Schekel für jeden, nicht mehr!", und wir fuhren los. Dieser Taxler ließ uns tatsächlich vor einem Checkpoint aussteigen, vor dem sich schon ein Wirrwarr gelber Taxis versammelte. Ich glaubte, wir würden nun durch eine Sperre gehen und "drüben" in einen Sherut einsteigen. Aber wir wurden scharf nach rechts von der Straße abgeleitet. Hier verkauften Männer arabische Kuchen und Erdbeeren, trotz der Tristesse und Alptraumartigkeit dieses Grenzübergangs. Wegweiser fehlten, nur manchmal stand "Exit" für die Gegenrichtung und "Entrance" für uns. Ich eilte daher drei Leuten nach, die mit dem Pass in der Hand im Sturmschritt an Mauern und zum Teil ruinenartigen schwarz verbrannten Geröllhalden entlang liefen. Links von uns befand sich eine hohe Mauer und die schmalen Pfade in die beiden Richtungen waren durch mehrere Meter hohe Gitterabsperrungen getrennt. Rampen, Umwege, Drehkreuze, Kameras, Röntgenkästen und Metalldetektoren. Sicher einen halben Kilometer die unmöglichsten Windungen entlang, in ein Gebäude hinein, dort wieder Drehkreuze und Absperrungen, endlich einige Schalter. Der Palästinenser vor uns wurde genau geprüft, wir wurden einfach weiter gewinkt. (Eine Kollegin von Ursula hat erzählt, dass, als sie diese Grenze überschritt, alle Leute die Schuhe ausziehen mussten, nur sie nicht). Entgegengekommen waren uns bisher einzelne Männer mit finsterem Gesicht, aber auf der anderen Seite des Gebäudes, in dem man die Pässe herzeigen musste, wartete ein lange Schlange zwei oder drei nebeneinander stehender Männer, müde Männer wahrscheinlich, alles Arbeiter nach der Art der Kleidung. Die arbeiteten wohl im jüdischen Israel und wollten jetzt heim. Schließlich erreichten wir wieder die Straße. Der Sherut Nr. 124 wartete schon und fuhr gleich ab. Wir waren sehr entsetzt. Warum machen die Israeli das? Aus Angst. Ich hatte mir einen "checkpoint" anders vorgestellt. Hier in diesem Alptraum gab es wohl keinen Fluchtweg für jemanden, der fliehen wollte, weil er vielleicht einen Terrorakt verübt hatte. Als wir wieder das prächtige Damaskustor in Jerusalem vor uns hatten, waren wir ziemlich erleichtert. Aber der Gedanke an die bewaffneten Burschen in den Altstadtgassen ließ keine wirkliche Fröhlichkeit aufkommen! Später spazierten wir noch in die Jaffa-Street und die Fußgängerzone in der Ben Yehuda Street (Ben Jehuda war der Schöpfer des modernen Hebräisch) und aßen sehr viel in einem Selbstbedienungslokal mit köstlichen Speisen. Vor dem Lokal saß ein bewaffneter Wächter und ließ uns die Handtaschen öffnen, bevor wir eingelassen wurden. Durch die Altstadtgassen, die nun bis auf ein paar männliche Kinder und Burschen ausgestorben waren, zurück. 13. März 2007, Jerusalem Schnee ist vorher gesagt!!! Die nächsten Tage bis zum Montag liegt die Temperatur laut Internet-Vorhersage bei sieben bis zehn Grad. Heute ist es kalt, wirklich kalt, Regenschauer, Sturmböen. Aber auf der Dachterrasse beleuchtete trotzdem ein schönes Licht die Gemäuer der Altstadt und den Felsendom mit seiner goldenen Kuppel. Nach dem Frühstück zu Fuß zum Municipial Office mit dem Palmenhain davor. Langes Warten auf den Bus Nr. 20 nach Yad Vashem. Wir beobachteten den Sicherheitsmann, der sich bei jedem Bus neben die Eingangstür stellt und die Leute beobachtet. Er sah wirklich zum Fürchten aus, ganz in Schwarz gekleidet, mit einer Art Rollkragen, den er nach oben über das Gesicht hätte ziehen können, dunkler Brille, schwarzer Mütze. Zuerst dachte ich mir: "Hoffentlich steigt der nicht mit uns ein", weil er ausschaute, wie man sich einen potentiellen Attentäter vorstellt. Auch bei den anderen Busstationen, an denen wir vorbeikamen, waren Sicherheitsleute positioniert, einmal eine junge Frau. Auf der Höhe des Makhane Yehuda Marktes stiegen viele Leute mit großen Plastiksäcken und Taschen voll Gemüse in den Bus. Dort hat es schon mehrmals Attentate mit vielen Toten gegeben. Am Mount Herzl stiegen wir aus und gingen zu Yad Vashem, der Holocaust Gedächtnisstätte. Eine große Anlage in einem Riesenpark voll Zedern und lila blühendem stark duftenden Rosmarin. Yad Yashem ist ja, habe ich irgendwo gelesen oder gehört, vor kurzem renoviert worden und baut nun auf persönliche Erlebnisberichte, damit sich die israelische Jugend mehr angesprochen fühlt. Viele Gruppen besuchten das Gedenkmuseum, viele, viele Leute, auch wieder Gruppen von Schwarzen und eine tschechische Gruppe, mit der wir beim Eingang kurz anstanden. Das Visitors´ Center ist eine große Halle, schaut aus wie eine Betonschachtel. Von dort geht man in den "new part", ein sehr lang gestrecktes dreieckiges Bauwerk, das den Berg durchdringt. Beim Eintritt sieht man schon auf die Glaswand am Ende, von überall her auf das Dreieck mit einer Videoproduktion eines israelischen Künstlers am Anfang, welche das jüdische Leben in Europa vor der Shoah darstellt. Und dazwischen im Zickzack die verschiedenen Stationen des Untergangs der europäischen Juden im Dritten Reich, und danach das Weiterleben und den Neubeginn in Israel. Es war schrecklich. Ich wollte unbedingt hingehen. Das ist das Mindeste, wenn ich einmal nach Israel komme, das habe ich mir immer gedacht. Einmal dort, wollte ich nur hinaus. Ich sagte zu Hans xmal: "Ich will raus, ich will raus!" Aber er schaute sich beharrlich alles genau an, und ich schaute auch, nur bei Treblinka, Majdanek und Ausschwitz, da streikte ich. Das habe ich in Wirklichkeit gesehen, zum Teil wiederholt, das muss ich nicht nochmals erleben. Auch den Anblick der Schuhe der Opfer, auch das habe ich nicht mehr durchgemacht. Es hätte niemand etwas davon. Ich habe es schon gesehen und ich weiß, was passiert ist. Es ist zu entsetzlich. Sogar nur das Anschauen der Bilder. Jedenfalls endet die Bestandsaufnahme mit dem neuen Israel, das 1947 durch UNO-Beschluss geschaffen wurde, und mit dem Blick von einer Terrasse am Ende des dreieckigen Gebäudes auf das ferne Jerusalem. Mir kam erst hier so richtig zu Bewusstsein, dass es noch nie ein "Palästina der Palästinenser" als Staat gegeben hat. Dass viele Jahrhunderte lang in einem dünn besiedelten Wüstengebiet Araber und Juden gelebt haben und dass die Schaffung des israelischen Staates eigentlich kein Unrecht in dem Sinn war, dass hier Palästinensern ein Staat weg genommen worden wäre. Was die letzten Jahrzehnte passierte, wie die jüdischen Israelis die Palästinenser heute behandeln, das ist vielleicht, wahrscheinlich oder auch sicher Unrecht. Aber dem voran ging Unrecht in ganz anderen Dimensionen, das in Europa an den Juden begangen wurde. Nach der Besichtigung von Yad Vashem regnete es, und wir gingen durch den "Jerusalem Forest" zum Herzl-Museum. "Do you have a reservation?" fragte die junge Dame mit dunklem Haar und hellen Augen, die an der Kasse saß und für uns ihren Blick von einem Buch hob. Natürlich hatten wir keine. Hans wollte eine "reservation" für "now", aber das ging nicht. Also besuchten wir nur Herzls "tomb". Das ist ein viereckiger Stein, wahrscheinlich schwarzer Marmor, mit nur hebräischer Aufschrift. Eigentlich könnte bei einem Menschen wie Herzl zusätzlich zum hebräischen Text auch ein "Theodor Herzl 1860 -1904" in lateinischen Buchstaben angebracht sein. Immerhin wurde er in Budapest geboren, studierte in Wien, wurde in Österreich begraben und war auch sonst hauptsächlich in Europa tätig. Sein Buch "Der Judenstaat", eine der Grundlagen des modernen israelischen Staates, schrieb er in Paris, wo er einige Jahre Korrespondent der Wiener "Neuen Freien Presse" war. Das Denkmal ist umgeben von einer Art Veranstaltungsarena. Wir begegneten jungen Soldaten und Soldatinnen, einer ganzen Gruppe, die offensichtlich von einem Besuch des Herzl-Gedenksteins kamen. Und beim Museum wimmelte es von Kindern. Wir fanden die Bushaltestellte des 20iger Richtung Stadt und fuhren bis zum Jaffa-Tor. Dort überlegten wir, noch ein bisschen auf der Stadtmauer spazieren zu gehen, aber es begann zu regnen und so tranken wir Tee. Danach regnete es noch immer oder schon wieder und stürmte kalt, sodass wir beschlossen "heim" zu gehen. Aber in der St. Francis Street im christlichen Viertel der Altstadt kam, was an einem so touristenarmen Tag wie heute zu befürchten war. Ein junger Mann, der vor einem Schmuckgeschäft stand, bat Hans, ihm zu sagen, was "sale" auf deutsch heißt. Hans schrieb es ihm auf. Dafür wollte er mir Ohrringe schenken. Er lockte uns auf eine Bank ins Innere seines Geschäftes, und eigentlich war unser Schicksal damit besiegelt. Er fragte mich, welche Farbe der in einem Körbchen liegenden Halbedelsteine mir gefiele. Ich deutete auf einen grünen. Er ignorierte das, nahm einen "Eilat-stone" zur Hand, jedenfalls etwas Türkises, und verfertigte unter Geplauder zwei Ohrstecker. Er sei armenisch-palästinensisch und christlich. Mit den Ohrsteckern, die er mich probieren hieß, schaue ich zehn Jahre jünger, also wie 27 aus. Damit hatte er deutlich zu dick aufgetragen und wurde mir zuwider. Er spreche zu uns als Freunden und nicht als Kunden etc. Ich fühlte, dass wir eingewickelt wurden, wie die Kreuzspinne bei Freunden im Garten einen Schmetterling umgarnt hatte, um ihn dann auszusaugen. Die Prozedur endete damit, dass der junge Mann Hans in ein weiteres Zimmer zog, weil es hierzulande Brauch sei, unter Männern zu verhandeln und Hans für eine zu den Ohrsteckern passende Kette, deren Preis er anfangs mit 360 Euros angab, 100 Euro abknöpfte. Ich war zornig und statt Hans auf die Wange zu küssen, was der Händler vorschlug, schimpfte ich ziemlich. Aber ohne irgendetwas wären wir dort keinesfalls mehr heraus gekommen! Um halb fünf Uhr waren wir zurück und tranken Tee bzw. Kaffee mit der Schwester. Dann aßen wir im Hotel Jerusalem außerhalb des Damaskustores. Dorthin kann auch eine Frau allein hingehen. Viele der Gäste rauchten Wasserpfeife. Draußen tobte der Wind und von dem Eisenbehälter am Straßenrand, in dem Mist verbrannt wird, stiegen dichte Rauchwolken auf. Übrigens habe ich gehört, dass die Jerusalemer Stadtverwaltung in den moslemischen Vierteln keinen Müll abholt. In der Altstadt sieht man vor allem in der Nacht kleine Traktoren mit Anhängern die Stiegen hinauf und hinunter fahren. Sie holen die bereit gestellten Müllsäcke. Zum Abschluss des Tages noch auf der Dachterrasse des Hospizes. Wolken trieben wild am Himmel. Morgen fahren wir nach En Gedi. 14.3.2007 Am Toten Meer, En Gedi Wir warten auf den 486er Bus nach Jerusalem. Auf der Nachbarbank hat ein älterer Mann im Gewand der orthodoxen Juden (ganz in Schwarz und großer Hut)) sich hingesetzt, trinkt Kaffee aus einem Becher, isst - vielleicht Kuchen - aus einem Nylonsackerl, und mindestens zwanzig oder dreißig Spatzen balgen sich ihm zu Füßen um die Brösel. Hinter uns blüht eine Mimose. Das Tote Meer ist wirklich so wie auf den Fotos und in der Vorstellung. Und ein totaler Gegensatz zu Jerusalem. Die Luft ist warm, die Sonne scheint, rund um uns (fast nur) unbewohnte Weiten. Die Berge, sandfarbene und ins Rötliche gehende Berghänge, absolut kahl, dann eine sich leicht absenkende sandfarbene Ebene, zirka einen Kilometer breit, und schließlich das Wasser in den schönsten Farben von Petrol bis durchschimmernd türkisgrün und türkisblau. Am Nachmittag drüben am anderen Ufer violette jordanische Berge sichtbar. Das Tote Meer ist der tiefste Punkt der Welt. Was es hier alles für Superlative gibt! Es liegt zirka minus 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Wie misst man das überhaupt? Hans erklärt es mir, aber ich verstehe es nicht wirklich. Wir (ich) standen um halb sieben Uhr auf. Derzeit ist eine große Gruppe des Priors von Herzogenburg im Haus, deshalb wurden wir zum Frühstück ins Volontärzimmer verwiesen. Dort war es wirklich ruhiger als im Frühstückssaal. Ursula frühstückte mit uns, weil es noch vor acht Uhr war. Um acht Uhr muss sie zu ihrem "Arbeitseinsatz". Das Wetter war ausgesprochen unfreundlich, und wir eilten mit vom Sturm verdrehten Schirmen zur Busstation. Der 20iger fuhr uns vor der Nase davon, so war ich schon ein bisschen nervös, und wir stiegen in den 13er, der uns bis zur Central Bus Station brachte. Dort ist der Einlass so gesichert wie am Flughafen. Man selbst und das Gepäck muss durch Sicherheitssperren. Der Bus 421 fuhr schon um 9.36 statt um 9.50 Uhr, wie im Internet behauptet, aber er kam aus Tel Aviv und erst mit ziemlicher Verspätung. Eine Fahrt durch das Verkehrschaos der Stadt und schließlich nach der "barrier" - der Grenze zum palästinensischen Gebiet - bergab, bergab, bergab. In Jerusalem-Nähe die neu gebauten Siedlungen auf den Bergkuppen. Palästinensische Slums neben der Straße. Hütten aus Brettern und Nylonplachen ohne Fenster und Türen. Wir glaubten beim Hinfahren, das seien Unterstände für die Ziegen und Schafe, die auf den kargen Hängen weideten. Aber beim Zurückfahren sahen wir Leute dort und Kinder Fußball spielen. Genaue Zusammenhänge weiß ich nicht, aber der Eindruck ist schrecklich. Die Fahrt 1200 Meter nach unten verlief rasant. Am Nordende des Toten Meeres nur mehr Wüste mit schroff ansteigenden kahlen Bergen. Ab und zu in der Ebene Dattelplantagen. Wir hielten Klopause bei einer Tankstelle mit Buffet. So etwas ist eine einsame Besiedelung auf weiter leerer Flur. Außer in den USA habe ich solche Landschaften noch nie gesehen. Darum wähnte ich mich heute einige Male im Death Valley, wo es auch Salzseen, Wüste, Berge und eine Depression gibt. Nach der Tankstelle ging es 30 Kilometer das Tote Meer entlang bis En Gedi. Aber wenn ich mir En Gedi so ähnlich wie Bibione vorgestellt hatte, so hatte ich mich gründlich getäuscht. Es besteht offensichtlich aus mehreren Palmenoasen: das Kibbuz, das Gästehaus, En Gedi Spa und noch einige Niederlassungen, ich glaube auch eine Art Kaserne, die jeweils mit einer Busstation versehen sind. Diese Örtlichkeit, also En Gedi, liegt übrigens wieder außerhalb des Palästinensergebietes. Der Buschauffeur rief die Stationen immer aus, und so landeten wir gegen 12 Uhr glücklich in "En Gedi Spa". Unsere Busgefährten waren übrigens neben jungen englisch und österreichisch sprechenden Touristen auch etliche schwer bewaffnete Soldaten. Das sind alles junge Leute und oft auch Mädchen. In En Gedi Spa zahlten wir pro Person 90 Schekel für Bad, Umkleiden, Strandbesuch und Lunch. Wir hätten viel mehr konsumieren können als wir taten - die Schwimmbecken mit Sole im Haus, das Schlammbad im Freien. Das wollte Hans gerne probieren, aber mir war das zuviel zeitlicher Stress. Jedenfalls fuhren wir mit dem Shuttle - ein Traktor mit Anhängern - auf dessen Bänken mit uns eine Menge Franzosen zum Wasser vorfuhren. Rechts und links neben der schmalen asphaltierten Straße "Betreten verboten", dort sei alles Schlamm, und ich nehme an, man würde versinken. Oft stand neben der Straße, auch neben der Autostraße, eine Warntafel "Beware Sink Holes Area". Vorne am Wasser Liegestühle und Dächer darüber, vielleicht aus Palmenblättern. Das Ufer sah salzverkrustet aus wie im Bilderbuch. Die Steine am Ufer mit Salzkristallen bedeckt, der Badesteg dick mit Salz überzogen. Hans schöpfte händeweise Salz aus dem grünen Wasser und ließ sich dann am Rücken liegend treiben. Ich ging nur bis zu den Knien ins Nasse. Es war ziemlich kühl. Auf allen Körperteilen, die mit dem Wasser in Berührung kamen, blieben weiße getrocknete Salzkrusten zurück. Sagenhaft! Hans vergnügte sich, warf Steine, die wunderbar hüpften, und wir fanden schöne schneeweiße Salzkristalle und nahmen welche mit. Dann gingen wir zu Fuß im Yukata durch die Wüste zur Spa-Anlage zurück, die von Palmen umgeben ist, und fotografierten uns in dieser ungewohnten Umgebung. Anschließend gab es Essen im Selbstbedienungslokal mit einer grau-weißen Katze, die sich auf den nicht weg geräumten Tabletts der schon gegangenen Gäste Hühnerknochen und Ähnliches holte - zuerst noch schamhaft auf den Boden, schließlich saß sie auf dem Tablett und aß auf dem Tisch die Fleischreste auf. Wir beobachteten einige sehr hübsche Vögelchen, einen Bienenfresser, meint Hans - das wäre der kleine Vogel gewesen, mit langem Schwanz, der die roten Blütenstände irgendwelcher exotischen Pflanzen entlang hüpfte. Spatzen. Täubchen mit rötlich braun gemustertem Gefieder und einer schwarz rötlichbraun getupften Halskrause. Ich glaub, ich sah auch eine Elster. Im Speisesaal sangen einige alte Leute "Kalinka, Kalinka", vielleicht Emigranten aus Russland, die in der lockeren Urlaubsatmosphäre an ihre Jugend dachten. Nach dem Essen spazierten wir herum, dann, ab einer halben Stunde vor der Abfahrt warteten wir brav, wie uns Ursula geraten hatte, auf den Egged-Bus, der jedoch pünktlich auf die Minute um 16.15 Uhr in die Oase einfuhr. Wieder eine wunderschöne Fahrt das Tote Meer mit seinen Farbenspielen entlang und durch die fremdartige eindrucksvolle braune bergige Landschaft. Der Bus hielt wieder an diversen Stationen an, um jemanden aus- oder einsteigen zu lassen. Einmal stand ein herziger Bub am Straßenrand. Hans fotografierte ihn. Als er das Digitalfoto anschaute, fragte er: "Was meinst du, was das Kind in der Hand hat? Eine Pistole!" In Jerusalem war es schon finster und nasskalt. Jetzt wollten wir noch auf das Dach des Hospizes, aber gerade setzte ein Graupelschauer ein. Doch der kurze Blick auf die Altstadt, die nächtliche, mit links dem beleuchteten Felsendom und rechts oben den beleuchteten Türmen von Sacre Coeur (hat uns Ursula gesagt) hat sich gelohnt. Hoffentlich gibt es noch Abende ohne Regen. 15.3.2007, Jerusalem Schnee in Jerusalem. Das Wetter kann fast nicht mehr ärger sein. Im Winkel von 45 Grad treibt der Sturm heftigen Schneeregen vor sich her. Jetzt schneit es. Das Unwetter dieser Art dauert schon einige Stunden an. Zwei Minuten auf der Dachterrasse, und schon bist du trotz Schirm pitschepatschenass. Auf der Kuppel des Felsendoms ist der Schnee noch nicht liegen geblieben, die Palmenwedel schwanken heftig in der Luft. Theresia sagte: "Wer kann schon behaupten, Mitte März in Jerusalem mit Schnee gewesen zu sein?", aber ich würde auf dieses Privileg gerne verzichten. Das Frühstück ist köstlich hier. Der Kaffee schmeckt gut, und es gibt ein reichhaltiges Buffet mit viel Obst. Das Service durch die Volontärinnen ist sicher bemühter als in manchem Hotel. Nachts. Heute war wirklich und wahrhaftig schlechtes Wetter. Aber es ist hier trotzdem eine ständiger Wechsel und das, was Batya Gur beschreibt: die Luft und das Licht verändern sich dauernd. Jetzt beim "Gute Nacht"-Dachbesuch trieben von den Lichtern der Stadt angestrahlte weiße Wolken rasend über den Himmel, von dem zum Teil die Sterne leuchteten. Wie schade, dass es jetzt jede Nacht zu kalt ist für ein längeres Verweilen. Links die goldene Kuppel, die schönen Häuser, die sogar in der Dunkelheit weiß leuchten. Die Türme. Ein junger Hausangestellter, der schon um halb zehn Uhr die Tür zur Dachterrasse zusperren wollte, wartete auf uns, so machten wir den Dachbesuch ganz kurz. Morgen früh wollen wir mit einem Leihauto an den See Genezareth fahren. Heute kamen Leute aus Caesarea (zwischen Haifa und Tel Aviv am Meer) zurück, weil so schlechtes Wetter ist! Man wird sehen! Am Vormittag schrieb ich Karten, dann eilten wir in einer Regenpause - da scheint immer wieder für ein paar Minuten eine kalte Sonne - zum Damaskustor und wechselten bei einem "Money changer" Euro in Neue israelische Schekel (NIS). Das Verhältnis ist zirka 1:5. Das Wechseln geht schnell hier. Hans schiebt das Geld hin, der arabisch aussehende Mann hinter der Theke zählt die Schekel ab, die wir bekommen, Hans steckt sie ein. Null Papierkram. Ein viel besserer Kurs als bei uns und keine Bankspesen. Danach zur Westmauer, wo ich keine Bar Mitzwa-Feier sah. Ursula hat gemeint, am Donnerstag und am Samstag fänden immer welche statt. Im Rahmen der Bar Mitzwa-Feier werden Buben in die religiöse Gemeinde aufgenommen, für Mädchen gibt es die Bath Mitzwa-Feier. Wir schauten nur über den Zaun, der den Bereich vor der Mauer vom übrigen großen Platz abtrennt. Eine weitere Unterteilung sondert den Männerbereich vom Frauenbereich ab. Der Männerbereich ist viel größer. Im Frauenbereich drängten sich die Frauen bei unserem Besuch am Sonntag so vor der Mauer, dass wir es nicht wagten, uns dort hinein zu mischen. Weiße Plastiksessel stehen bereit zum Niedersetzen. Die Frauen tragen fast alle eine Kopfbedeckung und viele entfernen sich von der Mauer im Rückwärtsgang. Das bedeutet wahrscheinlich Ehrerbietung (wie sie in der Hofburg oder Schloss Schönbrunn der Kaiser von seinen Untergegebenen verlangte). Die Leute stehen ruhig oder mit Gebetsbüchern in der Hand oder singend vor der Mauer und wiegen sich dabei hin und her. Die Männer müssen alle eine Kopfbedeckung tragen. Ursula hat Hans zu diesem Zweck ein Kippa gekauft, das kleine Käppchen, das gläubige Juden mit einer Spange an ihrem Hinterkopf befestigen. Man sieht viele Geschäfte mit Kippa in allen Farben und Mustern. Aber Hans hatte am Sonntag den Strohhut auf und heute verweilten wir nicht. Wir eilten - wegen des Regens- weiter zum Andenkengeschäft, in dem wir bereits am Sonntag waren, kauften dort einiges Unnötiges, und wollten zurück, aber der gleiche Weg ist aus Sicherheitsgründen versperrt, und auch die Parallelgasse, die wir wählten, endete bei zwei Soldaten oder Polizisten, die uns nicht weiter ließen. Ein Bub, der uns schon angekündigt hatte: "It´s closed!" übernahm die Führung zum Austrian Hospice. Die Gasse der Altstadt sind so unsystematisch (oder scheinen uns so), dass man sich leicht verirren kann. Ich kippte während des eilig zurückgelegten Weges auf den glitschigen Stufen mit dem Knöchel um, dort bin ich jetzt ein bisschen geschwollen und es tut weh. Hans gab dem Buben fünf Schekel. Ich glaube, er freute sich. Wir kauften auch einen großen schwarzen Schirm um 30 NIS. Heute waren natürlich wenig Leute in den Gassen, die Händler machten kein Geschäft. Viele hatten ihre Eisentore auch geschlossen. Die Stufen und Steinplatten des Bodens waren nass und rutschig, über die Treppen strömten Bäche, ja Flüsse. Immer wieder kehrte jemand das Wasser zusammen und natürlich auch den unendlichen Dreck weg, der sonst in diesem Teil der Altstadt den Boden klebrig überzieht. Wenn die Sonne herauskommt, wird das Licht fast weiß, dann dräut es wieder dunkelgrau herauf und Regen peitscht vom Sturm getrieben, oft als Hagel, Graupeln oder Schneeflocken. Die Luft ist schneidend kalt und frisch geworden. Von der Milde des Sonntags ist nichts mehr zu spüren. Wir aßen in der Cafeteria. Ursula kam, und wir beschlossen, das Programm etwas zu verringern. Außerdem fuhren wir alle Strecken mit dem Taxi. Denn bei dem kurzen Vormittagsspaziergang waren meine Schuhe, Socken und Füße patschnass geworden. Der Nachmittag führte uns zuerst ins Israelmuseum. Das ist wirklich grandios. Es liegt auf einer Anhöhe, gegenüber der Knesset, dem israelischen Parlament, und inmitten einer großzügigen Parkanlage. Es war natürlich viel zu kalt, um uns daran zu erfreuen. Ursula war vor einer Woche hier, da war es warm und schön, und sie hatte sich gefreut, mit uns zusammen den Skulpturengarten in der Dämmerung zu genießen. Heute genossen wir nur das Innere des Museums. Man könnte den ganzen Tag in diesem Prachtmuseum verbringen. Zuerst eine Surrealisten-Ausstellung, Miro, Magritte (Das Schloss in den Pyrenäen), Duchamp, Breton und viele, viele andere. Dann die "Schriftrollen des Toten Meeres", die ältesten Bibelfunde, aus Qumran am Toten Meer, in dessen Nähe wir gestern waren, und der "Kodex von Aleppo". Sie sind in einem eigenen großzügigen Pavillon untergebracht, dem "Schrein des Buches", schneeweiß und geformt wie die Deckel der Tonkrüge, in den die Schriftrollen aufbewahrt waren, und mit der halbdunklen Atmosphäre der Höhlen, wo sie gefunden wurden. Im Hauptgebäude viele verschiedene Ausstellungen. Länger hätte ich mich gerne mit den Judaica befasst, jüdische Gewänder, Synagogen, eine aus Cochin. Frauen im Judentum - ein sehr bescheidenes Kapitel in dem prächtigen Museum! Frauen hatten weitgehend dieselbe Rolle wie im Christentum, aber manche durften sogar rituelle Schlachtungen vornehmen, und es gab auch Wahrsagerinnen (Zogerinnen). Ethnologische Sammlungen aus Afrika, aus Ozeanien, aus Australien. Wir waren drei Stunden dort, die wie im Fluge vergingen. Wenn ich das nächste Mal nach Jerusalem komme, gehe ich nochmals dorthin. Wir hatten einen Tisch im Anna Ticho-Haus bestellt. Wieder stiegen wir ins Taxi. Im Graupelschauer an den schönen roten Tulpen und anderen Blumen im Garten dieses Kulturzentrums und Restaurants vorbei. Eine helle, ein bisschen alternativ wirkende Atmosphäre in dem Haus, in dem die Wiener Malerin Anna Ticho gemalt und gewirkt hatte. Mir ist Anna Ticho aus dem Buch "Stricke" von Chaim Be´er bekannt, das ich vor der Reise gelesen habe. Dessen Mutter war in ihrer Jugend dort gewesen: " In jenem Haus hatte sie zum ersten Mal eine andere Welt kennen gelernt, eine Welt von Geistigkeit, durchsichtig und von einer Schönheit, die sie faszinierte. Manchmal, wenn ihre Mutter Waschtag hatte und im Haus ein einziges Durcheinander herrschte, war sie hinüber geschlichen . Sie war an den Büschen im Garten vorbeigegangen, Rosensträucher, wenn ich mich recht erinnere, und hatte durch ein Fenster in den Hausflügel hineingeschaut, wo das Wiener Ehepaar wohnte. Einmal hatte `Frau Ticho´, wie Mutter sie zu nennen pflegte, sie entdeckt und eingeladen, doch hereinzukommen. Seitdem war sie bei der Malerin, die selbst keine Kinder hatte, ein willkommener Gast." Hier speisten wir, sehr reichhaltig. Wir nahmen eine Suppe, ich dann ein Cous Cous, Ursula die jüdisches Crepes, Blintzen, Hans Ofenkartoffeln. Die angeblich israelische Musik, die angekündigt war, entpuppte sich als internationale Schlager- und Film-Melange, die ein junger Mann mit Kippa auf dem Synthesizer spielte. Eine große Familie (wie wir annahmen, weil mehrere Generationen vertreten waren) feierte unmittelbar neben uns vielleicht den Geburtstag einer jüngeren Frau. Dann mit dem Taxi zurück zum hell erleuchteten Damaskustor und über die frisch gewaschenen Steinplatten "nach Hause". Ursula hat bei einem Gast ein Buch gesehen "Jesus wäre heute ein Palästinenser". Aber mein Herz schlägt trotz allem für die Juden. Doch natürlich sehe auch ich, dass sich die Israelis gegenüber den Palästinensern in der Gegenwart ins Unrecht setzen. 16.3. 2007, Ginnosar am See Genezareth Ich sitze in einem gelben Fauteuil in dem Zimmer des Kibbuz-Hotel NOF Ginnosar. Vor zwei Wochen oder drei hat Susanne Feigl es mir empfohlen, jetzt sind wir wirklich da! Es ist ziemlich teuer, besonders das Einzelzimmer, und wir werden sehen, wie wir hier schlafen. Heute Heute? Um sechs Uhr auf, Frühstück um sieben Uhr. Aus der Hauskapelle erklang "O Haupt voll Blut und Wunden". Wahrscheinlich feierte dort die Gruppe um den Prior von Herzogenburg die Frühmesse. Dann mit dem Taxi zum Büro der Firma Avis gegenüber vom King David Hotel. Dort der junge Mann, sehr kühl, sehr sparsam mit Worten. Wir müssen am Sonntag bis neun Uhr das kleine grüne Auto, das wir mieten, wieder zurück bringen, voll getankt. Wir müssen also morgen Abend das Auto irgendwo parken, das wird vielleicht ein Problem. Von Avis weg hieß es die Ausfahrt aus Jerusalem suchen. Wir hatten uns für die Straße durch das Jordan-Tal zum See Genezareth entschieden, weil der junge Mann der Autoverleihfirma gemeint hatte, die wäre nicht gefährlich, sondern sehr schön. Die Ausfahrt aus Jerusalem wurde ein bisschen ein Schlamassel. Hans glaubte, er könne über Ostjerusalem auf die Autobahn zum Toten Meer kommen, was natürlich eine naive Vorstellung war. Wir landeten oder strandeten vor einer riesigen schwarzen Mauer, die die Straße absperrte. Sie war beklebt oder angeschmiert mit Gesichtern. In meiner Aufregung nahm ich gar nicht wahr, was für Abbildungen auf der Mauer drauf waren. Jedenfalls ging es nicht mehr weiter, eine viele Meter hohe dunkle Barriere. Die Männer, die wir nach dem Weg zum Toten Meer befragten, sagten etwas wie: "Früher konnte man hier weiter fahren. Aber jetzt gibt es ja das " Und sie deuteten hinter sich auf die Mauer. Wir fuhren den Weg zurück, den wir gekommen waren und verfuhren uns wieder. Irgendwann waren wir auch oben am Ölberg, dort, wohin wir am Montag nicht hinauf gestiegen waren, weil es zu gefährlich war. Wir fragten wieder und dieses Mal führte der angegebene Weg endlich hinaus aus Jerusalem. Bis zum Toten Meer fuhren wir dieselbe Strecke wie vorgestern, dann Richtung Jericho und Bet She´an. Durch das Westjordanland. Wieder die karge kahle gelbe oder hellbraune Hügel- und Berglandschaft. Der Jordan blieb uns ferne bis kurz vor Tiberias. Schafe, Dattelpalmenplantagen, am Straßenrand immer wieder Obstverkäufer mit ihren farbenfrohen Waren. Sie verkauften auch oft Kartoffeln, sehr große gelbe Kartoffeln. Ab irgendwann wurde ziemlich abrupt die Landschaft grün, es weideten nicht mehr nur Schafe und Ziegen, sondern auch Kühe. In dieser Gegend passierten wir die "barrier", die uns aus dem palästinensischen Gebiet zurück in israelisches einließ. Eine junge Grenzsoldatin übte offensichtlich, ein älterer Mann mit grauen Haaren belehrte sie, nahm unseren Pass, sagte akzentfrei und ohne Freude oder Ablehnung erkennen zu lassen "Ah, Österreich" und reichte uns die Pässe durch das Autofenster. Von nun an bemerkten wir weniger hohe Stacheldraht- und andere Zäune rechts und links der Straße. Von Judäa waren wir über Samaria nun nach Galiläa gelangt, und das ist wirklich eine liebliche Gegend. Hellgrüne Bergkuppen, eine Vielfalt an Bäumen und anderen Pflanzen, wunderschöne Blumen, besonders prachtvoll die Bougainvilleas. Orangenplantagen und Bananen und Palmen, Eukalyptusbäume und und und Der Garten Eden schlechthin. Schließlich erreichten wir den See Genezareth, "das Auge Allahs", heute braungrau, denn dass es bisher nirgends geregnet hatte, war bei der Wolkengestaltung nur ein Zufall. Wir fuhren durch Tiberias nach Ginnosar, belegten unsere Zimmer, aßen eine erinnerungswerte Pizza und brachen auf nach Tabgha mit der Kirche der Brotvermehrung und den wunderschönen Mosaiken, sowie nach Kaparnaum zur weißen Synagoge, wo Jesus gepredigt hatte, und dem Haus des Apostels Petrus. Die Synagoge und das Haus des Petrus sind Ruinen, und das Petrus-Haus ist mit einem scheußlichen Betonklotz überbaut. Am schönsten war es auf dem Berg der Seligpreisungen (Mountain of Beatitudes). Hier soll Jesus die Bergpredigt gehalten haben, die von den Seligpreisungen eingeleitet wird: "Selig sind die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden. Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich." (Zitiert nach Dumont Israel, 1984, S. 308). Der Blick auf den See rund um die Kirche und vom liebevoll gepflegten Garten aus war traumhaft, die Luft regenschwanger und mild. Eine kleine schwarze Katze lief zwischen den Besuchern herum, ließ sich von ihnen streicheln und sogar auf den Arm nehmen. Katholische Schwestern führen neben der Kirche der Seligpreisung ein Haus, in dem man übernachten kann, und eine Schwester wartete schon dringend auf das Verschwinden der letzten Besucher, wie es schien. Beim Wegfahren standen wir vor einem bereits versperrten Tor. Dann hatten wir noch Zeit und beschlossen, nach Safed bzw. Zefat zu fahren. Safed ist eine der vielen israelischen Städte mit uralten Wurzeln und liegt 800 Meter über dem Meeresspiegel, 1000 Meter über dem See, auf einer Bergkuppe. Eine autobahnartige Straße zwischen den Bergen bergauf. Während der Fahrt begann es zu schütten. Nebel zogen auf. Shabbat-Vorabend, 17 Uhr. Viele orthodox gekleidete Männer und Buben, die zu den Synagogen eilten. Die Männer schützten ihre großen schwarzen Hüte mit rosa oder grünen Nylonhüllen vor dem Regen. Wir fanden die reizende Altstadt nicht und nicht die Künstlerkolonie, dafür passierten wir riesenhafte Betonwohnsilos, und wir bekamen den Eindruck, dass die Stadt noch weiter ausgebaut werden soll. Kurz gesagt, Safed hat uns, zumindest wie es sich uns heute darbot, enttäuscht. Wir drehten um und fuhren wieder ins Tal zurück. Eigentlich wollten wir in Tiberias Petersfisch essen, aber da es Freitag Abend war, landeten wir doch zum Abendessen im Kibbuz-Hotel. Etwas vom Schönsten war der kurze Spaziergang vor dem Schlafengehen an den See. Es war dunkel, aber rechts und links des Steges schimmerte die Wasseroberfläche des See Genezareth, auf der einst Jesus gegangen war, tausend Lichter funkelten von Tiberias herüber. Gegenüber auf den Golan-Höhen auch Lichterketten, und rund um uns, in dem Pflanzengewirr entlang des Weges das Quaken vieler, vieler Frösche. Am Himmel Sterne, Osiris oder Orion oder sonst welche Himmelsformationen. Das alles am See Genezareth, wo sich seit 2000 Jahren oder noch viel länger Geschichte abgespielt hat, die jedes Kind bei uns heute noch in der Schule lernt (vorausgesetzt es besucht den christlichen Religionsunterricht). 17.3. 2007, Ginnosar "Shabbat Shalom" hat uns gestern Abend der Mann begrüßt, der die Einfahrt zum Hotel überwacht. In der Lobby war ein Tischchen mit vielen brennenden Teekerzen aufgestellt und einige Gäste trugen ein Kippa. Heute ist Shabbat. Die Rezeptionsangestellte sagte spöttisch, als ich sie fragte, ob das Hotelrestaurant am Shabbat offen sei: "Do you think we eat nothing on Shabbat?" Es schaut wieder regenschwanger aus. Vor dem Fenster eine grüne Wiese mit Baumstöcken, aus den Blumen wachsen. Dahinter ein heller Streifen See. Vogelstimmen. Auf dem Rosenstock unter dem Fenster saß ein blitzblaugrünes Vögelchen mit schimmernden Federn, vielleicht acht Zentimeter lang. Gerade lief ein Tier beim Bach über das Gras, das Hans für eine Katze oder einen Biber hielt. Beim Abendessen saßen hinter uns ältere Japaner und Japanerinnen. Eine Frau hatte ein großes blitzendes Kreuz an einer Kette umgehängt. Weiters hörten wir deutsch, englisch, hebräisch, russisch und sicher befanden sich in dem riesigen Speisaal noch anders sprechende Nationen. Gestern auf der Fahrt nach Safed sahen wir übrigens viele viele Störche, die im den Bäumen ihr Abendlager aufschlugen. Auch in der Wüste sahen wir Störche. Sie rasten hier wohl auf ihrer Reise von Afrika nach Europa. Ich war wieder beim See auf dem Steg. Das Wasser gluckste heran, Vögel zwitscherten, Enten schnatterten, irgendwo. Es roch nach gedüngter Wiese. Hier ist das "Heilige Land". Löwenmaul blühen im Garten, Lilien, Petunien. Wir sehen viele Pflanzen hier, die bei uns nur als Blumentöpfe oder Schnittblumen vorkommen. Gestern wunderten wir uns, wie schnell sich die Wüste in eine üppige hellgrüne subtropische Frühlingslandschaft verwandelte. Schon Josephus schwärmte, dass " die Üppigkeit der Region jede Bepflanzung erlaubt" (Dumont, S. 302). Wieder in Jerusalem. Es ist nachts und wir sind müde, so müde, dass ich eigentlich gar nichts mehr schreiben will. Das kleine blaugrün schillernde Vögelchen auf der Rose dürfte ein Kolibri gewesen sein. Sonst war heute ein schöner Tag mit köstlichem jüdischen Frühstück, die Marmeladen waren kulinarische Höhepunkte, squash-jam, tomato jam, plum jam etc., alle mit ganz großen Fruchtstücken. Herrlich. Nur die Milch für den Kaffee war kalt, sie durfte nicht gewärmt werden, wegen des Shabbat. Dann Fahrt nach Akko, einer Stadt, deren Geschichte weit in die vorchristliche Zeit zurück reicht. In hellenistisch-römischen Zeiten hieß sie Ptolemais, bei den Kreuzfahrern, für die Akko der Haupthafen im Heiligen Land war, St. Jean d´Acre. Schließlich Akka bei den Türken und Arabern. Auch Napoleon wollte hier landen, konnte aber von den Türken abgewehrt werden. Der Anteil der arabischen Bevölkerung, besonders im historischen Stadtkern, ist bedeutend, und so fanden wir trotz Shabbat offene Lokale. Wir saßen lange in einem netten Restaurant am Hafen mit Blick auf die berühmten Befestigungen, Stadtmauer, Zitadelle, auf Schiffe, kleine Jachten, Fischerboote, Fischer, die an ihren Netzen hantierten. Die Sonne schien und ich aß Petersfisch. Im Dumont findet sich eine geschichtliche Anekdote, die sich mit der romantischen Geschichte von Richard Löwenherz und Sänger Blondel auf Dürnstein verknüpfen lässt. Während des dritten Kreuzzuges griffen der englische König Richard Löwenherz, der französische König Philipp I.I August und der österreichische Herzog Leopold V. 1191 die Stadt an, die von Sultan Saladin verteidigt wurde an. Die Europäer siegten, und auf der mächtigen Eckbastei der Festung pflanzten die beiden Könige ihre Banner auf. Als Herzog Leopold, der kein König war, seines daneben setzte, warf Richard es in den Graben! Ich lese, dass die Gefangenschaft von Richard Löwenherz in der Burg Dürnstein während dessen Rückreise eine Rache für diese Überheblichkeit war (Dumont, S. 364). Anschließend fuhr uns Hans nach Haifa. Natürlich hat auch Haifa eine 3000 Jahre alte Geschichte, und es ist die drittgrößte Stadt Israels, eine Industrie- und Universitätsstadt und in Reichweite der libanesischen und iranischen Raketen. Wir suchten und konnten ihn nicht übersehen, den Berg Karmel, an dessen Hängen die Stadt malerisch lagert. Das Wahrzeichen Haifas ist nach Dumont der Bahai-Schrein. Da wir Haifa nur kurz besuchten, beschränkten wir uns auf dieses Ziel. Es lohnte sich. Ein herrlicher Panorama-Blick über die Stadt, das Meer endlich tiefblau strahlend vor uns ausgebreitet. Wunderschöne persische Gärten. Alles taufrisch, in leuchtenden Farben, üppig hellgrüner Rasen unter graugrünen Olivenbäumen, violett prunkende Stiefmütterchenrabatten und noch viele andere bunte und duftende Flecken in der äußerst gepflegten riesigen Gartenanlage mit exotischen und bekannten Blumen und Bäumen. Der Garten scheint sich den ganzen Berg Karmel hinaufzuziehen, aber nur ein kleiner Teil ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Wir haben unzählige Fotos gemacht. Hans spricht von einem "Bahai-Kalender 2008". Im Mausoleum mit einer vergoldeten Kuppel ruht Mirza Ali Mohammed e-Bab, "der Märtyrer-Herold" der Bahai-Religion (Dumont 372). Er wurde 1850 im Alter von 31 Jahren wegen seiner religiösen Lehren in Persien hingerichtet und sein Leichnam kam 1909 nach Haifa. (Mehr: http://de.wikipedia.org/wiki/Bahai). Rückfahrt nach Jerusalem, zuerst bis Tel Aviv am Meer entlang, dann über die Hügel und Berge in die Dunkelheit hinein. Den ganzen Tag begleiteten uns überall die tief rosa blühenden Judasbäume. Fast nirgends wird in Israel Eintritt verlangt und wenn, dann wenig, zum Beispiel gestern am Mount of Beatitudes für drei Leute und ein Auto fünf Schekel, was soviel wie ein Euro ist. Alle Blumen leuchteten heute besonders. Das Licht ist hier so intensiv. Sowohl am See Genezareth wie auch in Haifa. Das Grün des Rasens war so leuchtend wie ich es vielleicht noch nie gesehen habe. Die Blumen, die im Bahai-Park die Wege säumten, knallten mit ihren Rottönen fast die Augen heraus. Wir konnten auf dem Parkplatz des Hospizes parken. Als wir ausstiegen, begann es wieder zu regnen. Aber als wir nach einem kleinen Imbiss in der Cafeteria nochmals auf die Dachterrasse gingen, regnete es seit mehreren Tagen zum ersten Mal gerade nicht und man konnte sich länger aufhalten. Einer der schönsten Orte der Erde, besonders wenn vom Himmel darüber die Sterne herunter scheinen. 18.7.2007, Jerusalem Galiläa ist wie Andalusien oder Südfrankreich oder Cornwall oder die Kanarischen Inseln, Weihnachtssterne in Baumgröße, Fuchsien als Büsche, Bananen, Datteln, Feigen kurz, die Früchte des Morgenlandes. Ewiger Frühling herrscht, alles wächst dort an Blumen und Pflanzen und bunte Vögelchen schwirren darüber hin und her. Es ist sieben Uhr und die Sonne scheint, blauer Himmel (wer weiß, wie lange!) Jetzt ist es abends. Wir sitzen in der Cafeteria. Verschwitzt, weil wir so schnell gegangen sind, um noch etwas zu essen zu kriegen. Das ist in der Cafeteria nur bis acht Uhr möglich. Heute sitzen in der Volontärsecke nur junge Leute. Einer der jungen Männer sagte gerade: "Der Katholizismus ist eine Sackgasse." Die älteren Volontäre und Volontärinnen sind vielleicht bei dem Mormonenkonzert, bei dem wir vergangenen Sonntag auch waren. Ja, so ist es, anscheinend wurde heute das Mozart-Requiem gegeben. Jetzt eine kurze Schilderung des Tages von Anfang an. Um halb sieben Uhr auf. Frühstück. Heute hatte Ursula Service, wir sahen sie also schon beim Frühstück. Anschließend fuhr Hans mit Meisterschaft aus der engen Altstadt durch das Löwentor und fand auf Anhieb zum Avis-Büro beim Hotel King David. Alles verlief glatt bei der Rückgabe, gekostet hat das Auto insgesamt für zwei Tage 97 Dollar. Wir wollten nun den YMCA-Turm besteigen, aber ein vor dem Tor sitzender Wächter versperrte uns den Eingang und meinte, man könne nur am "Tuesday" auf den Turm fahren. Da er offensichtlich nicht gut englisch konnte, wollten wir wenigstens in das Innere des Hauses vordringen, was er uns nach einigem Hin und Her ließ. In der Rezeption erklärte uns eine Dame, dass nur am Sonntag (heute) der Turm nicht zugänglich sei. Wir bewunderten die Innenausstattung der Lobby mit arabischen Anklängen, Leute saßen beim Frühstück, und begaben uns ins Hotel King David gegenüber. Sehr großartig! Jugendstilartig dekorierte riesige Räume empfangen den Gast nach der Sicherheitskontrolle an der Drehtür, eine Lobby mit dunkelblauen Samtfauteuils, auf jedem Tischchen eine Vase mit gelben Lilien. Ein Café-Restaurant samt Terrasse mit schönem Ausblick. Auf die Terrassentische waren rosa Tischdecken gebreitet, woraus ich schloss, dass das Hotelpersonal dem Wetter gegenüber optimistisch war. Im Café wird jedoch erst ab zehn Uhr serviert. Doch in der Lobby durften wir Cappuccino und Espresso einnehmen. Preis 12 NIS, wie im Hospiz! Auch die Toilette war elegant, Vasen mit violetten Anemonen bei jedem Waschbecken. Danach spazierten wir über Yemin Moshe, das erste Viertel, das die Juden Mitte des 19. Jahrhunderts außerhalb der übervölkerten Altstadt erbauten (Batya Gur "In Jerusalem leben") zum Jaffa-Tor der Altstadt. Dieses Yemin Moshe ist sehr lauschig, und wir gingen durch einen schönen Park mit blühendem Rosmarin und knospenden Lavendel. Vom Jaffa-Tor gelangten wir per "Ramparts Walk" (Spaziergang auf der Stadtmauer) zum Zion´s Gate und zur King David´s Tomb. Das war ein bisschen Schwindel erregend. Das Grab von König David besichtigten wir nicht, denn dorthin fand offensichtlich gerade ein Ausflug des halben israelischen Militärs statt, junge Frauen und Männer mit Sturmgewehren und Rucksäcken, ein dichtes Gedränge, ein ideales Ziel für potentielle palästinensische Selbstmordattacken. (Die Palästinenser haben jetzt übrigens eine gemeinsame Regierung zusammen gebracht, Hamas und Fatah, die Israel aber nicht anerkennt, weil die Hamas das Existenzrecht Israels nicht anerkennt). Wir wandten uns in die Altstadt, zuerst in die jüdische Cardo-Gasse, die unvermittelt in einen arabischen Souk übergeht. Ich kaufte zwei Schals, schön, wenn auch sicher aus Nylon und womöglich, wie Hans vermutet, in China hergestellt, und zwei mit allerlei glitzerndem Tand verzierte Polsterbezüge. Bei der Grabeskirche erstand Hans die heiß ersehnten Sandalen. Im Hospiz verabschiedeten wir uns von Ursula und eilten zum Sherut nach Tel Aviv (beim Ticho-Haus, Ecke Jaffa-Street). Das ging klaglos, und schon saßen wir im 50 NIS-Taxi (mehr als das Doppelte überzahlt!), das uns von der Central Bus Station von Tel Aviv zur Trumpeldor-Beach brachte. Der Strand von Tel Aviv ist wirklich schön, luxuriös breit. Es war auch hier kühl. Meistens verdeckten Wolken die Sonne, aber das Meer rauschte und es duftete nach Salz, Sand und Meerestieren. Ein paar Burschen wagten sich in das angeblich gefährliche Wasser - wegen Unterströmungen. "Wagten" auch, weil es doch ziemlich kalt sein musste. Wir sahen ein paar Surfer und Surfer, die mit Paraglidern ihr Surfbrett antreiben ließen. Ich genoss den Anblick der Wellen, die silbern an den hellgelben Sandstrand heranrollten. Wir setzten uns in das erste Lokal, das wir fanden, es war schon zwei Uhr, und ich aß "Sea bream", zu deutsch Brasse, ein köstliches Essen mit gebratenen Tomaten, Knoblauch und Kartoffeln, Fisch und viel frischem Rukkola. Hans aß Spagetti mit vier Käsen. Wir blieben lange in dem Lokal und beobachteten die Frau mit den zwei jungen Männern am Nachbartisch. Ich interpretierte eine Mutter mit zwei Söhnen in die Szene, amerikanische Juden, denn einer der jungen Leute trug ein Kippa, die Frau hatte einen Israel-Reiseführer auf dem Schoß liegen und sie sprachen amerikanisch klingendes Englisch. Sie spielten Karten. Zu erwähnen ist, dass der Kellner Hans nachgelaufen kam und sagte, er habe ihm nicht ganze zehn Prozent Trinkgeld gegeben! Hans gab den nötigen Rest darauf. Bis Jaffa spazierten wir zirka drei Viertel Stunden. Wir legten die Hände auf der "wishing bridge" auf unsere Sternzeichen und wünschten uns etwas. Hans meinte ganz verzagt, er wisse nicht, was er sich wünschen solle. Jaffa ist ganz neu aufgebaut, offensichtlich der historischen Vorlage nachgebaut. Es wirkt ein bisschen wie eine Kulisse. Zwei Bräute wurden von Hans fotografiert, vielleicht Christinnen, die am Sonntag heirateten. Für die Juden und die Moslems ist ja ein normaler Wochentag. Ich machte ein Foto: Hans, auf einer Kanone sitzend. Es war schon späterer Nachmittag, recht einsam, wir kehrten um und marschierten bis zur Trumpeldor Beach zurück. Einen Blick warfen wir auf die Bauhaus-Häuser und nahmen dann ein Taxi. Das heißt, wir sprachen den Lenker eines der seltenen am Straßenrand stehenden Taxis an. Er konnte nicht Englisch und hielt Hans sein Handy hin, der musste mit jemandem am Telefon über den Fahrtpreis verhandeln. Diesmal waren es 30 NIS. Ursula nahm ein Einheimischer in seinem Taxi mit und der zahlte 15 NIS! Wir mussten ein bisschen warten, schließlich stieg die vermutliche Freundin des Lenkers zu, sie flirtete mit ihm auf Teufel komm raus. Bis auf das Meer machte mir die Millionenstadt Tel Aviv, in der 40 Prozent der israelischen Bevölkerung wohnen, keinen überwältigenden Eindruck. Vom Strand aus eine großstädtische Silhouette mit relativ vielen Hochhäusern; wenn man aus dem Taxi blickte, viele Straßen mit Geschäften, eigentlich ein bisschen "vergammelt". Aber wir haben wirklich sehr wenig gesehen. Jedenfalls im Unterschied zu Jerusalem keine orthodox jüdisch gekleideten Männer und keine islamisch verhüllten Frauen, die in der moslemischen Umgebung des Austrian Hospice gang und gäbe sind. Etliche Leute, die mit Hunden an der Leine am Strand spazieren gingen. Hunde sind in arabisch besiedelten Gegenden verpönt, und in Jerusalem kam mir noch keiner unter. Jedoch hier wie dort sehr viele Katzen, die meisten wild herumstreunend und ziemlich räudig. Im Unterschied zu den anderen Orten, die wir streiften, ist Tel Aviv eine junge Stadt. 1909 kaufte der Jüdischen Nationalfond Land in den Dünen nördlich des damals übervölkerten Jaffa, das im Gegensatz dazu vielleicht der älteste Seehafen der Welt überhaupt ist. Tel Aviv, zu deutsch "Frühlingshügel" war die erste jüdische Stadt, die nach einer Pause von 2000 Jahren neu entstand - das übrigens vor der Staatwerdung Israels. (Ich wundere mich immer wieder, dass es gar nicht so ist, dass die Juden vor rund 2000 Jahren aus dem Heiligen Land vertrieben wurden und dann erst als Folge des Holocaust bzw. der Staatswerdung Israels begannen, nach Israel zurückzukehren. Diese Situation war mir immer vorgeschwebt. In Wirklichkeit siedelten sich auch all die Jahrhunderte der Diaspora Juden im von den verschiedensten Mächten besetzten heutigen Israel an. Dass Araber und Juden Palästina gemeinsam bewohnten, ist sozusagen uralte Tradition. Schon 1917 gab es die "Belfour Declaration", die den Beschluss der britischen Regierung ausdrückte, in Palästina eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu schaffen, wobei die Rechte nichtjüdischer Gemeinschaften nicht beeinträchtigt werden sollten. 1919 vereinbarten der Emir Faisal und der Zionist Chaim Weizmann, dass das "arabische und hebräische Volk bei der Entwicklung eines arabischen Staates und Palästinas" möglichst eng zusammenarbeiten sollten - Dumont S. 53-54. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges lebten 60 000 Juden in Palästina. Was ich nicht weiß, ist, wie viele Araber damals dort lebten). Am Strand gingen wir übrigens an einem Gedenkstein für die jugendliche Opfer eines Anschlages vom Juni 2001 vorbei. Vielleicht war dort eine russische Diskothek, denn der Text war auf Englisch, Hebräisch und Russisch verfasst, und es war ein Gebäude in der Nähe, das sehr verfallen und außer Betrieb aussah. Bei der Central Bus Station kam lang kein Sherut nach Jerusalem, und als endlich das passende Sammeltaxi eintraf, drängten arabische Jugendliche so rücksichtslos und gewalttätig, wie ich es noch nie erlebt habe. Die jungen Frauen, die mit uns gewartet hatten, blieben zurück. Ich gelangte nur in den Bus, weil ich mich mit meiner ganzen Kraft gegen einen der Dränger wendete, der mich wegboxen wollte. Diese Begegnung mit der Gewalt erweckte ein äußerst ungutes Gefühl. Die Rückfahrt dauerte lange, da wir im Stau steckten. Anscheinend arbeiten viele Leute aus Jerusalem in Tel Aviv, und die kehrten nun heim. Ich dachte wieder, wie aussichtslos die Situation wäre, wenn hier ein Anschlag stattfände. Aus dem Lautsprecher des Sherut ertönte "Radio Yerushalayim", wie Jerusalem auf Hebräisch heißt. Auf Arabisch heißt es el-Quds. 19. 3. 2007, Hospiz Vögel zwitschern, es regnet nicht. Der Himmel ist aber auch nicht blau. Aus den Gassen des Bazars klingt schon Stimmengewirr. Gestern war es noch lange laut, arabische Musik, Burschenstimmen. Jetzt hört man frommes Gesang. Das sind die Pilgergruppen, die die Stationen des Leidens Christi an der Via Dolorosa abgehen. Eine der Gruppen sahen wir mit einem riesigen Kreuz beladen. Es ist ein großer Gegensatz: dieses brodelnde arabische Verkäuferleben, Waren, Kunden, Händler, die Kunden anwerben, und in deren Mitte eingezwängt mit Körperkontakt die frommen Gruppen. Manchen Gruppen erklärt ein guide, was sich an dieser oder jener Station abgespielt hat, das sind wahrscheinlich normale Touristen. Die Gassen, das muss man dazu sagen, sind äußerst eng und außer in der Früh und in der Nacht oder wenn es regnet, dicht mit Menschen gefüllt. Gestern, als wir heimeilten, war das Christian Quarter in völlige Dunkelheit gehüllt. Das war unheimlich, man sah auch die zahlreichen Stufen nicht. In der Früh, als Hans das Auto durch die Via Dolorosa quetschte, war sie menschenleer und nur ab und zu lehnte ein Mann an einer der dunklen alten Mauern. Mit Revolver oder Pistole in der Hand. Was mich an Jerusalem überrascht hat, ist die Wehrhaftigkeit , die die Gebäude der Altstadt, die Stadtmauer, aber auch viele Gebäude der Neustadt wie zum Beispiel das Hotel King David, ausstrahlen. Das kommt davon, weil sie aus riesigen oder zumindest großen Quadern bestehen. Die Farbe ist immer ein mattes Beige, das bei gewissem Licht in Rosa übergeht. Jerusalem-Stein heißt dieses Material, schreibt Batya Gur, "ein Erkennungszeichen der Stadt und weltweit gerühmter Bestandteil ihrer Schönheit". Heute ist unser letzter Tag in Jerusalem. Abends. Im orthodoxen Viertel Mea Shearim sahen wir einen Kombibus, auf dem geschrieben stand "Claims Conference against Germany". Heute war ein sehr voller Tag und einer, an dem wir sehr viel herumgegangen sind. Die Ziele waren YMCA-Tower, King David Hotel, Mea Shearim, Hospiz, neuerlicher Ausgang mit Ursula zum Paulus Haus, American Colony Hotel, die Viertel Beit Israel und nochmals Mea Shearim, Makhane Markt, Yaffa-Street, essen, zurück, Cafeteria. Zweimal haben wir also große Runden durch die Stadt gemacht. In der moslemischen old city ist nur ab und zu, scheu blickend und eilig ein orthodoxer Jude oder ein Mensch mit Kippa zu sehen. In Beit Israel und Mea Shearim ist das Gegenteil der Fall. Dort sieht man fast nur orthodox gekleidete Juden, in Schwarz, mit Hut und Beikeles, und das in jedem Alter, Kinder, halbwüchsige Buben, Erwachsene, alte Herren mit weißen Bärten. Das ostjüdische "Schtetl" sei dort nach Jerusalem verpflanzt, las ich. Die Häuser, Gassen und Geschäfte wirken ziemlich schäbig, und wir fragten uns, ob und warum die Leute dort arm sind. Angeblich müssen die orthodoxen Juden keine Steuern zahlen. Vormittags kamen wir vom YMCA-Tower und dem Hotel King David. In der Strauss-Straße kauften wir uns in einer Bäckerei einen hervorragend schmeckenden Mohnfleck. Der Bäcker kannte das Wort "Mohn". Man sah enge Gassen, die Mea Shearim Road, auch schmal, graue niedrige Häuser mit Geschäften im Erdgeschoss und Balkonen darüber. Relativ viele Devotionaliengeschäfte mit silbernen Gegenständen in der Auslage. Frauen waren wenige zu sehen, wenn, dann hatten sie die Haare mit einem Tuch oder dem schwarzen netzartigen Käppchen, wie mir Ursula eines gekauft hat, verdeckt. Nachmittags um zirka vier oder fünf Uhr waren mehr Frauen unterwegs, auch junge, ohne Perücke oder sonstige Kopfbedeckung. Aber alle mit langen Röcken oder zumindest mit dicken schwarzen Strümpfen. Und viele, viele Männer in ihren schwarzen Anzügen und Mänteln. Das begann bei der Synagoge in der Nähe des American Colony Hotels und ging bis zur Yaffa-Street. Dort änderte sich plötzlich das städtische Klima und der Aufzug der Menschen. Die meisten Männer trugen schwarz, aber einige sahen wir auch mit seidenartigen Kaftanen in Schwarzweiß gestreift, aus dünnen Stoffen, wie Sommerschlafmäntel, darunter ein Gilet aus demselben Material. Ich zu müde zum Weiterschreiben, das werde ich morgen im Flugzeug machen. Der heutige Sternenhimmel war herrlich. Vom Felsendom her klang eine Stimme wie die eines Predigers. 20. 3. 2007, Jerusalem Wir sitzen auf dem Dach, ein bisschen Regen, ein bisschen Sonne. Dreiviertel zwölf Uhr. Von den Moscheen ertönen die Stimmen der Muezzins. Dumpfes Grollen unsichtbarer Flugzeuge. Sicher Militärflugzeuge, über Jerusalem fliegt niemand ohne Not, sagt Hans. Er verdächtigt die Händler im Souk zwischen Hospiz und Tempelmauer Agenten radikaler Palästinensergruppen zu sein. Sie schauten uns wirklich nicht freundlich an! Und gestern kaufte ich dort in einem kleinen Geschäft naiv eine CD, die gerade gespielt wurde, ich verstand ja die Worte nicht. Ich dachte, das sei arabische religiöse Musik, weil der Händler von "islamic music" sprach. Erst zurück im Hospiz schauten wir auf das Cover und sahen darauf einen Menschen mit einem Raketenwerfer und ein explodierendes Auto. Ich habe die CD zerbrochen und in den Papierkorb geworfen. Mit solchen Sachen will ich nichts zu tun haben. Die letzten Minuten hier im Hospiz. Vor uns der Muezzin mit seinem Sing Sang. Im Hintergrund Singen von der Via Dolorosa. Wir sind am Flughafen. Wir haben alle Kontrollen passiert. Es war aber nicht sehr arg. Wir kamen drei Stunden zu früh auf den Flughafen. Nun haben wir noch zwei Stunden Zeit. Noch ein paar Sätze zu gestern: Wir fuhren auf den YMCA-Tower hinauf. Das YMCA-Gebäude (Young men´s Christian Association) in Jerusalem wurde in den späten Zwanzigerjahren vom Erbauer des New Yorker Empire State Buildings, Loomis Harmon, entworfen und ist ein Wahrzeichen Jerusalems. Der Glockenturm schaut nur knapp über das gegenüber liegende Hotel King David, das offensichtlich einmal aufgestockt wurde. Im Nordwesten des YMCA-Hauses befindet sich eine riesige Baugrube und einige Kräne reichten mit ihren Auslegern bis fast zum Turm. Man sieht die Altstadt sehr schön, den Ölberg, die blitzenden Dächer der russisch-orthodoxen Kirche zu dessen Füßen. Später, als wir im Hotel King David Kaffee tranken, begannen die Glocken zu läuten, die wir wenig vorher bei einem versuchten, aber gescheiterten Versuch, vom Turm zu Fuß herabzusteigen, passiert hatten. Hans sagt, es sei die Melodie von Beethovens "Freude, schöner Götterfunken" gewesen. Am Nachmittag bog Ursula am Weg zum American Colony Hotel überraschend im Paulus-Haus ein, da sie in einem Buch gelesen hatte, dass der Blick von dessen Dachterrasse ebenfalls besonders schön sei. Dieses ungefähr so alte und im selben Stil wie unser Hospiz erbaute Gästehaus für deutsche Pilger beherbergt in einem Neubau eine Schule für palästinensische Mädchen. Von der weitläufigen Terrasse im zweiten Stock aus gesehen - ob diese mit der Dachterrasse identisch ist, weiß ich nicht - steht das zinnenbewehrte mächtige Damaskustor malerisch gegenüber, und auf der anderen Seite blickt man in einem Hof, in dem sich gerade kleine dunkelhaarige Mädchen beim Korbball spielen vergnügten. Die Mädchen trugen rote Schuluniformen und hatten wunderschöne Zöpfe oder Rossschwänze. Danach fanden wir durch die Nablusstraße nach Norden gehend das American Colony Hotel, ein weiteres berühmtes Hotel von Jerusalem. Heute ist es sehr nobel und die Billigpreisangeboten liegen bei 300 Euro pro Nacht für ein Zimmer, aber ursprünglich soll es die Heimstätte amerikanischer und schwedischer christlicher Immigranten gewesen sein. Im Stil unterscheidet es sich stark vom bombastischen King David Hotel, ist kleinräumiger, intimer. Wir passierten bei unserer Suche nach dem Cafe zwei Gärten mit schönen Blumen, Auf jenen mit einem mit türkisem Wasser gefüllten Schwimmbassin sahen wir beim Kaffeetrinken hinaus. Besonders schön war hier wieder die Toilette, mit einer durchgängigen Leiste bunter Fließen, einem kleinen Sekretär, einem Wickeltisch mit Plüschbären, die darüber baumelten. Quer durch Beit Israel und Mea Shearim gingen wir zum Makhane Markt. Hier, wo in den letzten Jahren mehrere Anschläge mit vielen Toten stattgefunden haben, wachten Soldaten oder Polizisten an zwei Eingängen, die übrigen waren unbeaufsichtigt. Wir erfreuten unsere Augen an den bunten Obst- und Gemüseständen. Sehr viele Erdbeeren, Fisolen verschiedener Sorten, Artischocken, riesige gelbe Erdäpfel, Avocados, Zitrusfrüchte jeder Art, Fisch und Fleisch, jüdische Backwaren, Nüsse. Wie auch im Bazar musste ich an die Großmutter von Amos Oz denken (zumindest beschreibt er sie so in seinem Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis"), welche die farbenprächtige üppige, aber nicht unbedingt blitzsaubere orientalische Fülle in Jerusalem zeitlebens entsetzte. Wir tranken Nana-Tee, russischen Tee mit Pfefferminzblättern. Später spazierten wir über die Yaffa-Street und die Fußgängerzonen zu einem "sekulären" jüdischen Restaurant, in dem Ursula und Tanja am Shabbat gegessen hatten. Ab sieben Uhr saß auch vor dessen Tür ein Wächter, der die Taschen der Gäste inspizierte. Vorher hatten wir die Speisekarten eines anderen Restaurants studiert, eine junge Frau war aus dem Restaurant getreten und hatte uns versichert, dass in ihrem Lokal die Bereiche für "meat" und "dairy" voneinander abgesondert seien. Zurück zum Hospiz. In der Cafeteria unterhielten sich an diesem Abend wieder die älteren VolontärInnen. Gästen, die spät angekommen waren, wurde das Abendessen hier serviert. Heute kommt Landeshauptmann Pröll in das Hospiz, und in der Früh durchzitterte bereits eine aufgeregte Atmosphäre die breiten Gänge. Zum Abschluss besuchten wir noch einmal die Klagemauer, die nun Westmauer heißt. Viele viele Leute waren dort. Auch eine Bar Mitzwa-Feier. Die spielte sich in der Männer-Abteilung ab, nahe am Zaun, und auf der anderen Seite davon drängten sich die dazugehörigen Frauen der Familie und schauten über die Abgrenzung hinweg zu, wie die Männer sich in der religiösen Zeremonie mit Gebetsmänteln angetan bewegten und sangen. Wir tranken in dem Cafe beim checkpoint für die Mauerbesucher, wo wir am ersten Tag ebenfalls gerastet hatten, Kaffee und beobachteten die jungen Sicherheitsmänner mit ihren Gewehren. Nun warten wir im Flughafen von Tel Aviv auf den Abflug unserer AUA-Maschine. Mit uns warten mehrere Männer, deren Kleidung darauf hindeutet, dass sie orthodoxe Juden sind. Sie haben zusätzlich zu ihrem Handgepäck jeweils eine große Schachtel mit, die sich durch den Aufdruck als Hutschachtel ausweist. Ich glaube, in Wien findet gerade ein jüdisches Musik- oder Theaterfest statt, vielleicht reist der eine oder andere dahin. Immer wieder ertönen Aufrufe zur Sicherheit: "Nicht rauchen!" "Gepäckstücke nicht allein stehen lassen!" und "Das Tragen von Waffen ist auf dem gesamten Flughafengelände verboten". Siehe auch: Jerusalem Österreichisches Hospiz Yad Vashem Israel Museum Schriftrollen vom Toten Meer See Genezareth Haifa Akko Tel Aviv-Jaffa Literatur: Chaim Be`er, Stricke, Roman, Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1998, Deutsche Erstausgabe 2000 Erhard Gorys, Das Heilige Land, DuMont Kunst-Reiseführer, DuMont Buchverlag, Köln, 10. Auflage 1992 Batya Gur, In Jerusalem leben. Ein Requiem auf die Bescheidenheit, Aus dem Hebräischen von Helene Seidler,Goldmann 45031, Goldmann Verlag, Frankfurt am Main, 2000 Selma Lagerlöf, Jerusalem, 1901 u. 1902, Walter Laqueur, Jerusalem - Jüdischer Traum und israelische Wirklichkeit, Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Seebohm, 2005, Ullstein 36807 Amos Oz, Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, Roman, Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004, Orinalausgabe 2002 |
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