Ruth Linhart | Dissertation| Gedichte


Tanka von Ishikawa Takuboku

Übersetzt von Ruth Linhart

Aus der Tanka-Sammlung: Ichiaku no suna - Eine Handvoll Sand, publiziert 1910


Im weißen Sand des Strandes einer kleinen Insel im östlichen Meer
in Tränen aufgelöst
spiele ich mit den Krabben.

Tôkai no kojima no iso no shirasuna ni
ware nakinurete
kani to tawamuru (1)


Eine ganz rostige Pistole kam hervor,
als ich in den Dünen
mit den Fingern im Sand grub.

Itaku sabishi pizutoru idenu
sunayama no
suna o yubi motearishini (4)


Ein Tag, an dem mir, im Sand einer Düne am Bauche liegend,
die erste Liebe
und ihr Schmerz von ferne einfällt.

Sunayama no suna ni harabai
hatsukoi no
itami o tôku omohiizuru hi (6)


Das Zeichen "Groß" schrieb ich
über hundertmal in den Sand,
dann gab ich das Sterben auf und ging heim.

Dai to iu ji o hyaku amari
suna ni kaki
shinu koto o yamete kaerikitareri (10)


In einem Zimmer ohne Licht bin ich,
Vater und Mutter
klopfen mit dem Stock und treten aus der Wand.

Hokagenaki shitsu ni ware ari
chichi to haha
kabe no naka yori tsuetsukite izu (13)


Im Spaß nehme ich die Mutter auf den Rücken,
aber weinend, weil sie allzu leicht ist,
vermag ich keine drei Schritte zu gehen.

Tawamure ni haha o seoite
sono amari karoki ni nakite
sanpo ayumazu (14)


Jedes Mal, wenn im Heimatdorf mein Vater hustet,
breche ich in Husten aus!
Traurig, krank zu sein.

Furusato no chichi no sekisuru tabi ni kaku
seki ni izuru ya
yameba hakanashi (16)


Hätte ich eine Arbeit,
die ich gerne täte,
ich glaube, ich würde sterben wollen, wenn sie fertig ist.

Kokoroyoku
ware ni hataraku shigoto are
sore o shitogete shinamu to omou
(20)


Als ich zu einem Spiegelgeschäft kam,
erschrak ich plötzlich -
was für ein armseliger Typ geht da vorbei?

Kagamiya no mae ni kite
futo odorokinu
misuborashi geni ayumu mono ka mo
(38)


Auf einmal wollte ich unbedingt in einen Zug einsteigen,
als ich aus dem Zug ausstieg -
kein Ort zum Hingehen.

Nani to naku kisha ni noritaku omoishi nomi
kisha o orishi ni
yuku tokoro nashi
(39)


Ich ging in ein leeres Haus hinein,
weil ich eine Zigarette rauchen wollte.
Ach, das einzige, das ich möchte, ist ganz allein sein.

Akiya ni iri
tabako nomitaru koto ariki
aware tada hitori itaki bakari ni
(40)


Du schmutziger Kragen des Herbstkimono,
wie traurig,
riechst nach den gebratenen Nüssen der Heimat.

Akajimishi awase no eri yo
kanashiku mo
furusato no kurumi yakuru nioi su
(112)


Alle meine Gedanken
haben scheinbar damit zu tun, dass ich kein Geld habe.
Der Herbstwind bläst.

Waga idaku shisô wa subete
kane naki ni in suru gotoshi
aki no kaze fuku
(144)


Früh lernte ich die Süße
und den Schmerz der Liebe kennen.
Früh bin ich alt.

Sakinjite koi no amasa to
kanashisa o shirishi ware nari
sakinjite oyu
(188)


Sanft grünen die Weiden
am Ufer des Kitakami vor meinen Augen.
Mir ist zum Weinen.

Yawaraka ni yanagi aomeru
kitakami no kishibeme ni miyu
nake to gotoku ni
(215)


Ach, jene Lehrerin,
wie einsam funkelte es am Rand
ihrer Brille

Aware kano
megane no fuchi o sabishigeni hikaraseteishi
onna kyôshi
(313)


Dass durch die Akazien- und Pappelallee
der Herbstwind traurig blies,
das ist im Tagebuch übrig geblieben.

Akashiya no namiki ni popura ni
aki no kaze
fuku ga kanashi to niki ni nokoreri
(338)


Das Kind auf dem Rücken,
brachte sie mich zur Haltestelle, durch die der Schnee blies,
ach, die Augenbrauen meiner Frau.

Ko o oite
yuki no fukiiru teishaba ni
ware miokurishi tsuma no mayu kana
(361)


Koyakko hieß die Frau,
weiche
Ohrläppchen und anderes, hart zu vergessen.

Koyakko to iishi onna
yawarakaki
mimitabo nado mo wasuregatakari
(391)


An mich geschmiegt,
in tiefer Nacht im Schnee stehend,
wie warm die rechte Hand der Frau.

Yorisoite
shinya no yuki no naka ni tatsu
onna no mete no atatakasa kana
(392)


"Willst du nicht sterben?" Als ich das sagte:
"Schau das an!"
und zeigte mir eine Wunde am Hals, ach die Frau.

Shinitaku wa nai ka to ieba
kore miyo to
nondo no kizu o miseshi onna kana
(393)


Als die Dielenbretter unter den Füßen vor Kälte knarrten,
beim Heimgehen am Gang
ein unerwarteter Kuß.

Kishikishi to samusa ni fumeba ita kishimu
kaeri no rôka no
fui no kuchizuke
(401)


Die Zeit, in der die Kartoffeln blühen
ist gekommen.
Auch du würdest diese Blüten lieben.

Bareisho no hana saku koro to
narerikeri
kimo mo kono hana o sukitamafuramu
(424)


Wenn ich auf der Straße eine Gestalt sehe, die dir ähnlich ist
tanzt mein Herz -
hab Erbarmen.

Kimi ni nishi sugata o machi ni miru toki no
kokoro odori o
aware to omoe
(428)


Treffen wir uns noch einmal bis zum Tod,
wenn ich das sagte,
ob auch du leise mit dem Kopf nicken würdest?

Shinu made ni ichido awamu to
ii yaraba
kimi mo kasuka ni unazukuramu ka
(432)


Außerhalb der Hauptstadt von Ishikari,
wo dein Haus ist,
fallen jetzt wohl die Apfelblüten ab.

Ishikari no miyako no soto no
kimi ga ie
ringo no hana no chirite ya aramu
(435)


Die Gedichte sind der folgenden Gesamtausgabe der Werke Ishikawa Takubokus entnommen: Takuboku zenshû, 1. Bd., insgesamt 8 Bde. hrsg. von Kindaichi Kyôsuke, Toki Zenmarô, Ishikawa Masao, Odagiri Hideo, Iwaki Yukinori, Verlag Chikuma Shobo, Tôkyô, 1967-1968. Die in Klammer gesetzten Zahlen der japanischen Version der Tanka bezieht sich auf die Reihenfolge der Tanka in der genannten Gesamtausgabe.


Weitere Tanka folgen.


Ruth Linhart | zurück | Takuboku Dissertation | Gedichte Email: ruth.linhart(a)chello.at